Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Wenn Kühe Kunst kacken

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Für die Mitgliederausstellung des Kunstvereins Ebersberg werden zahlreiche Arbeiten in die Alte Brennerei gebracht. Innerhalb von wenigen Stunden treffen sich dann Künstler, die dort ihre teils abenteuerlichen Werke präsentieren wollen

Von Carolin Fries, Ebersberg

"Ein Scheißbild". Irgendeiner hat's gerade wieder gesagt. Kichern. Tatsächlich: Ludwig Beham hat einen Kuhfladen lange trocknen lassen und ihn dann in einen alten Biedermeier-Holzrahmen genagelt. Vorhin hat er seine Arbeit in der Alten Brennerei für die Mitgliederausstellung abgegeben. Kein regionales Produkt, wie der Ebersberger erzählt. Er hat das Naturprodukt aus den Bergen geholt, original Almkühe waren hier am Werk. Für ihn als Bewunderer der italienischen Nachkriegskunst Arte Povera besteht Kunst aus armen, alltäglichen Dingen. "Faccio con buchi" - Gesicht mit Löchern - hat er seine Arbeit genannt, die in diesen Minuten die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Seinen Fladen nämlich hat er noch mit Skistöcken bearbeitet, wie sie Wanderer gerne in den Bergen dabei haben.

Insgesamt sechs Stunden haben die etwa 250 Mitglieder des Ebersberger Kunstvereins an diesem Wochenende Zeit, ihre Arbeiten für die diesjährige Ausstellung abzugeben. Stets sind diese Stunden geprägt von Neugier. Wer eine Arbeit abgegeben hat, dreht sogleich eine Runde durch die Galerieräume, in denen die Arbeiten unsortiert an den Wänden lehnen oder einfach im Raum stehen. Was haben die anderen gemacht? Wer ist überhaupt dabei und: Wer könnte Chancen auf die drei Publikumspreise haben? Jedes Jahr nehmen durchschnittlich 70 Vereinsmitglieder teil, darunter Profis wie Laien. Sie kommen überwiegend aus dem Landkreis Ebersberg, aber auch aus den angrenzenden Regionen und natürlich aus München. Manche tragen ihre Arbeiten einfach unter dem Arm, andere laden sie im Klosterbauhof von Autoanhängern, Bildhauerin Silvia di Natale befördert ihre Holzskulptur auf einer Sackkarre herbei. Di Natale hat im vergangenen Jahr einen der drei Publikumspreise gewonnen. Ausgezeichnet wurde im Vorjahr außerdem eine Porzellanplastik von Eleonore Fischer und eine Arbeit des Pfaffinger Künstlers Peter Dubina. Beide haben am Sonntagnachmittag, eineinhalb Stunden vor Abgabeschluss, noch keine Arbeit eingereicht. Dafür andere, ebenfalls in den Vorjahren bereits ausgezeichnete Künstler wie Margot Haringer, Christian Endt oder Karin Gerwien. Gerwiens Skulptur aus Fahrrad-Ketten und -Schläuchen mit dem Titel "Show me the way to the next Whiskey Bar" zeigt ein Gürteltier auf einem Hydranten.

Anders als im Vorjahr gab es in diesem Jahr kein Motto, entsprechend ist thematisch alles dabei: Die schlicht schöne Landschaftsmalerei, der klassische Akt und die abstrakte Malerei. Die Bilder dürfen nicht älter als drei Jahre sein, sie sollen "ein Blick auf den momentanen Entwicklungsstand der Künstler" sein, wie die zweite Vorsitzende Geraldine Frisch sagt. Sie zeigt sich begeistert von den "vielseitigen und spannenden Arbeiten". "Es sind wieder gute Leute dabei." Sie selbst hat ihre Fotoarbeit in der Eile daheim vergessen. "Die muss ich nachher noch schnell holen."

30 Euro kostet die Teilnahme. Cordula Untermöhlen aus Aschheim ist es das wert. "Das Boot war voll" heißt ihr Bild, das ein umgedrehtes Boot in einem blutroten Meer zeigt, darüber ein Beil. "Meine Reaktion auf die Politik der EU." Es ist ihre zweite Mitgliederausstellung, auf einen Preis oder gar den Verkauf des Bildes macht sie sich wenig Hoffnung. "Für Kunst wird kein Geld mehr ausgegeben", sagt Untermöhlen. Natürlich dreht auch sie gleich nach der Abgabe eine Runde.

"Achtung, die Farbe ist noch nicht ganz trocken", sagt die Malerin einer großformatigen Teichlandschaft da am Eingang. Am Vorabend habe sie es gerade noch rechtzeitig fertig gemalt. Hinter ihr steht Helga Hofmann aus München mit ihrem Sohn dreijährigen Sohn Bela um einen kleinen nummerierten Aufkleber an, der die Werke während und nach der Ausstellung ihren Urhebern zuordnen lässt. Sowohl die Mutter als auch ihr Sohn halten ein Bild in den Händen. Ob auch Belas weiße Pinselstriche auf blauem Grund in die Ausstellung finden?

Geraldine Frisch schaut sich in der Galerie um. Sie bleibt vor einem farbenfrohen Gemälde von Jutta Grosch stehen. "So ein junges Bild." Dabei ist die Malerin schon 82 Jahre alt. Auch Ulrich Schulte aus Baldham, eines der ersten Mitglieder des Kunstvereins, habe eine Arbeit eingereicht. Dann bleibt sie bei einer großflächigen Zeichnung von Horst Siegel mit dem Titel "Wind" stehen. Es zeigt das Gesicht einer alten Frau, deren Haare leicht verwehen. Jede einzelne Falte scheint liebevoll herausgearbeitet, doch es ist der Blick der Dame, der den Betrachter gefangen nimmt. "Den hat er wirklich gut hingekriegt", sagt Frisch.

Am kommenden Samstag entscheidet die Hängekommission, in welchen Arrangements die Arbeiten zu sehen sein werden. Klar ist bereits: Auch Scheiße ist dabei.

Mitgliederausstellung des Kunstvereins Ebersberg, Vernissage am 26. August, um 19.30 Uhr in der Galerie Alte Brennerei.

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Quelle:
SZ vom 16.08.2016
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