Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Bunte Blätter um den Weltenbaum

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Der Fotoclub Vaterstetten eröffnet seine vierte Herbstausstellung in Zorneding

Von Victor Sattler, Zorneding

Zwei von genau 30 Mitgliedern des Fotoclubs Vaterstetten sind Bettina Knieling und Sabine Hecker, die erst im jüngsten Bewerbungsverfahren dazustoßen durften, nachdem zwei Plätze frei geworden waren. Noch handverlesener sind aber die genau zwei aus etwa 10 000 jährlich geschossenen Fotografien, die jede der beiden für ihre Debüt-Ausstellung, die Herbstausstellung im Zornedinger Rathaus, herauspicken musste, um einen guten ersten Eindruck zu hinterlassen.

"Ich hab mir dafür einen Lieblingsbilder-Ordner angelegt", erzählt Bettina Knieling, "und dann noch die Verwandtschaft zu Rate gezogen. Die haben noch mal einen ganz anderen Blick. Es braucht Bilder, die man sich über einen langen Zeitraum anschauen kann, ohne das Interesse zu verlieren."

Am Freitagabend stehen die beiden Freundinnen nun etwas schüchtern zusammen, warten, wie ihre Exponate im Lauf der Vernissage wohl aufgenommen werden. Hecker hat sich für zwei Reiseblicke in die Toskana und nach Hamburg entschieden, Knieling geht einmal auf vernebelte Distanz zur Natur und dafür mit ihrem anderen Motiv makrofotografisch nah heran. "Ich finde es interessant, dass gar kein Thema vorgegeben war", sagt Knieling, "so kommt die Individualität des einzelnen Fotografen wirklich heraus."

Ein paar Meter weiter steht Ulrich Steger, im Gegensatz zu Hecker und Knieling ein "alter Hase" und Gründungsmitglied des Fotoclubs, von neugierig Fragenden umringt. Neulingen im Club, die stets freundlich aufgenommen und ein halbes Jahr lang beschnuppert würden, verspricht Steger eine steile Lernkurve durch Übung und ständigen Austausch. Er selbst durfte dieses Jahr das Bild für die Einladungskarte stellen: eine verträumte junge Frau mit Herzballon auf einer Haltestellenbank, ein Anker der Hoffnung in einer grauen, griesgrämigen Szene. Vielleicht ist sie die Letzte, die noch richtig aufmerksam in die Welt schaut, wie es die Fotografen tun wollen; denn die drei Männer neben ihr sehen alle ungleich fieser als die Frau aus, mit ihren identischen bösen Schemengesichtern auf braunen Papiertüten.

Sie, die Frau, ist es, um die es Steger geht. Damit er seinen Herzluftballon-Moment in einem Motiv findet - das, was an der Welt zu schön ist, um übersehen zu werden - muss Ulrich Steger weit planender vorgehen, als die meisten seiner Kollegen: Er arbeitet nämlich mit Models aus seinem Freundes- und Bekanntenkreis, wenn er Menschen zeigen will. Bisher sind seine Ressourcen noch begrenzt: "Wie viele Leute sind wohl auf dem Bild?", fragt Stegers Kollege Josef Pfiffer und zeigt dabei auf die Bushaltestelle. Eine Trickfrage: Jeder der drei Männer ist eigentlich Steger selbst, per Photoshop repliziert und per Tüte unkenntlich gemacht. Und nicht nur ins Bild hat er sich dreimal hineingemogelt, auch in der Ausstellung darf er als einziger drei Werke zeigen. "Glück gehabt", sagt Steger und lacht verschmitzt.

Da klingelt Zornedings Bürgermeister Piet Mayr (CSU) die Anwesenden auch schon mit einem hellen Glöckchen zu dem grünen Weltenbaum im Zentrum des Rathauses, der die rechteckige Empore scheinbar mit der Treppe und dem Erdgeschoss verbindet. "Wenn es draußen trüber wird, wird's drinnen wieder schöner", zelebriert Mayr die mittlerweile vier Jahre währende Tradition eines "bunten Herbstes" als Gastschau der Vaterstettener in Zorneding, wie sie laut der Volkshochschule auch 2018 fortgesetzt werden soll. Mayr gibt sich Mühe, würdige Worte für seine Gäste zu finden, und erreicht das Fotografenherz spätestens, als er die Ausstellung als Panoptikum sämtlicher Themen und Formen rühmt, als Schaufenster nach außen wie innen. "Mensch, das kenn' ich ja", denke er sich Déjà-vu-artig beim Betrachten mancher Bilder, erzählt Mayr.

Am schönsten würden die Stücke aber sowieso im Tageslicht wirken, neckt der Zornedinger Bürgermeister die Gäste am Abend mit seinem Privileg, die Bilder gleich außerhalb seines Büros zu haben - und lockt so vielleicht manchen Neider nochmals zu einer früheren Tageszeit in die Ausstellung zurück.

Zu sehen ist die Ausstellung noch bis Ende November zu den regulären Öffnungszeiten des Zornedinger Rathauses.

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Quelle:
SZ vom 30.10.2017
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