Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik der CSU:Frau deutlicher Worte

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In Anzing diskutiert die bayerische Integrationsbeauftragte Mechthilde Wittmann (CSU) mit Flüchtlingshelfern. Dabei prallen Welten aufeinander.

Von Barbara Mooser, Anzing

Nach drei Stunden - allgemeine Ermattung hat sich über das Lokal gelegt - hebt sich dann doch keine Hand mehr, die meisten haben schon gezahlt und wollen heim. Mechthilde Wittmann, seit März Integrationsbeauftragte der bayerischen Staatsregierung, schiebt ihre Zettel zusammen, auf denen sie den ganzen Abend lang mitgeschrieben hat. "Ich komme wieder, wenn Ihr mich noch einmal ertragen könnt", sagt sie dann. CSU-Landtagsabgeordneter Thomas Huber grinst: "Ich frag' nachher mal rum", sagt er.

Denn auch wenn die Gesprächspartner an diesem Abend verbindet, dass sie viel von ihrer Zeit dem Thema Integration widmen, sind zuvor in dem kleinen Café neben dem Anzinger Edeka oft sehr unterschiedliche Positionen aufeinander geprallt: Auf der einen Seite Vertreter von sieben Helferkreisen aus dem Landkreis, die sich täglich mit neuen Hürden und Herausforderungen konfrontiert sehen und sich weniger Bürokratie und mehr Spielräume wünschen. Auf der anderen Seite die Juristin, die sich nach eigenen Angaben selbst gewundert hat, dass ausgerechnet sie zur Integrationsbeauftragten ernannt wurde, die "Ankerzentren" und zügige Rückführungen verteidigt.

Gleich am ersten Tag ihrer Amtszeit empörte sie die Opposition im Landtag ausgerechnet mit einer Wortmeldung zu einem Thema aus dem Landkreis: Die Tatsache, dass die Awo-Kita in Markt Schwaben den St. Patrick's Day feierte, sah sie als Grund, sich ausführlich zu echauffieren und den Niedergang des Brauchtums zu beklagen. Dass die Kita wie immer auch Ostern feierte, war dabei keine Erwähnung wert.

Zu Beginn des Abends hatte Thomas Huber seine Kollegin als eine Frau deutlicher Worte vorgestellt: "Sie ist immer sehr direkt in ihren Äußerungen." Davon können sich die etwa 30 Zuhörer gleich selbst überzeugen, nicht nur, wenn sie über Asylpolitik und Integration spricht, sondern auch über ihre Kollegen im Landtag.

"Herrmann ist das größte Weichei, das ich kenne"

Innenminister Joachim Herrmann etwa gelte immer als "harter Hund", sagt sie, "dabei ist er das größte Weichei, das ich kenne". Das erwähnt sie, als sie die Zuhörer aufruft, auch jederzeit mit Einzelfällen an sie heranzutreten. Sie werde alle prüfen, verspricht sie, eben genau wie Herrmann, der dies ähnlich halte.

"Ich werde gern offen sein für Dinge, die Sie an mich herantragen, wenn Sie aushalten, dass ich sage, wenn ich es anders sehe", eröffnet sie die Diskussionsrunde. Und an Themen mangelt es wahrhaft nicht, unter anderem beklagen die Helfer Chaos bei der Wohngebühr für Flüchtlinge. Diese wurden in ihrer bisherigen Form vor einigen Wochen zwar vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gekippt, nach wie vor ist aber völlig unklar, wie eine Neuregelung aussehen wird und ob zu viel gezahlte Gebühren zurückerstattet werden.

Der Informationsfluss an die Helfer sei schlecht, kritisieren einige, andere merken an, dass viele wertvolle Kapazitäten damit verschwendet würden, Geld zwischen Behörden hin- und herzuschieben. Da wird es der Frau der deutlichen Worte doch etwas zu deutlich auf der anderen Seite: "Warum so kritisch? Ich war immer höflich und nett", wirft sie einmal in den Raum, ohne dass zuvor ihre Gesprächspartner erkennbar unhöflich geworden wären. "Ach Gott, ist das mühsam", stöhnt sie ein andermal, als eine Helferin nicht sofort versteht, was sie sagen will.

Versöhnliche Töne schlägt immer wieder Thomas Huber an; Kreishandwerksmeister und Kreistagskollege Johann Schwaiger steuert Informationen vor allem zu Ausbildungsmöglichkeiten für Flüchtlinge bei. Huber grenzt sich in manchen Dingen auch inhaltlich von seiner Kollegin ab.

Beispielsweise, wenn er sagt, man werde an einer Stichtags- oder Altfallregelung nicht vorbeikommen, wenn es um Flüchtlinge geht, die ohne eigenes Verschulden sehr lange auf eine Entscheidung im Asylverfahren warten mussten. "Das ist meine ganz persönliche Haltung", unterstreicht Huber, Wittmann macht klar, dass sie das anders sieht.

Wittmann verteidigt auch die geplante Rückkehr zum von den Helfern heftig kritisierten Sachleistungsprinzip, bei dem die Asylbewerber statt Geld Lebensmittel oder Chipkarten für bestimmte Läden bekommen. Sie sei eine große Verfechterin dieses Modells, sagt Wittmann, denn Geld werde oft für falsche Dinge ausgegeben, etwa für Alkohol oder auch dafür, Verwandte in der früheren Heimat zu unterstützen.

Für Wittmann ist Martin Bayerstorfer ein "Schlüssellandrat"

Während die Helfer den Landkreis Erding, wo der dortige Landrat Martin Bayerstorfer dieses Prinzip bereits auf eigene Faust eingeführt hat, als Negativbeispiel ins Feld führen, sieht Wittmann Bayerstorfer als "Schlüssellandrat". Mit ihm wolle sie sich auf jeden Fall bald mal zusammensetzen, kündigt sie an.

Überhaupt sieht sie bei den Landratsämtern große Unterschiede, beispielsweise bei der Erteilung von Arbeitsgenehmigungen. "Die Pole heißen Bayerstorfer und Göbel", sagt sie. Bayerstorfer gibt den Hardliner, der Münchner Landrat schöpft seine Spielräume weitmöglichst aus. "Und Ebersberg nähert sich München-Land an", wirft Huber ein.

Am Ende gibt es von der Integrationsbeauftragten doch noch viel Dank für die Helfer im Raum und die Bitte, im Engagement nicht nachzulassen. Huber bleibt es, ein Fazit zu ziehen: "Der Abend hat gezeigt, wie wichtig es ist, gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Meinungen zu haben", sagt er, bevor alle in die Nacht hinaus strömen.

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SZ vom 07.09.2018
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