Süddeutsche Zeitung

Donnersbergerbrücke:Von hier aus überwacht die Deutsche Bahn ihre Bahnhöfe

Lesezeit: 3 min

Von Jasmin Siebert

Am Mittwochmorgen stand zum Beispiel ein herrenloser, brauner Aktenkoffer am Augsburger Bahnhof. Einsatzkoordinator Ludwig Fuchs hat sofort eine Streife der Bundespolizei geschickt - von München aus, wo er seit 1. März in der neuen Lage- und Einsatzzentrale der Deutschen Bahn an der Donnersbergerbrücke arbeitet. Gemeinsam mit einem Kollegen hat Fuchs das Oberkommando über alle sicherheitsrelevanten Belange in bayerischen Zügen und Bahnhöfen.

Nach Vorfällen wie dem Amoklauf im Münchner Olympiaeinkaufszentrum oder dem Axtangriff in einer Regionalbahn bei Würzburg entschloss sich die Bahn, eine Sicherheitszentrale in München aufzubauen. Vorher wurde von München aus nur Südbayern überwacht, für Nordbayern war eine Leitzentrale in Nürnberg zuständig.

Der neue Büroraum an der Donnersberger Brücke, der am Mittwoch erstmals zu besichtigen war, sieht recht unspektakulär aus: Jeweils drei Bildschirme stehen auf den beiden Schreibtischen, Smartphones und auch zwei Tastenhandys liegen bereit. Auf dem Schrank sitzt ein Teddy in Bahnuniform, an der Memowand mit der Aufschrift "Wichtig" hängt der Speiseplan. Ruhig geht es hier zu, doch die Arbeit ist enorm wichtig. Wird zum Beispiel irgendwo in Bayern ein Fahrgast belästigt, kann Fuchs eine Streife schicken, die in der Nähe ist. Auf einer Karte auf einem der Bildschirme sieht er, wo sich die Streifen gerade befinden.

Gewalt gegenüber anderen Fahrgästen wie auch Diebstähle sind in Bayern in jüngster Zeit sogar leicht zurückgegangen. Die meisten der 1900 Gewalttaten in Zügen und an Bahnhöfen im Jahr 2016 ereignen sich ohnehin in der Stadt, vor allem in München: während der Wiesn oder nach Fußballspielen, ganz generell auch unter Jugendlichen am Wochenende. 30 Mal wurde im vergangenen Jahr versucht, Fahrkartenautomaten zu knacken, doch nur zwei Mal konnte Geld entwendet werden. Ein Grund dafür, dass die Zahl der Straftaten abnimmt, ist laut Bahn die weiter steigende Zahl von Videokameras. Allein in den Münchner S-Bahnen sind inzwischen mehr als 4000 Kameras installiert, die rund 72 Stunden lang aufzeichnen. An den Bahnhöfen im MVV-Gebiet sind es noch einmal 582 Kameras.

Nur manche dieser Geräte senden Livebilder in die sogenannte 3-S-Zentrale am Hauptbahnhof. Die drei S stehen für Sicherheit, Sauberkeit und Service. Solche 3-S-Zentralen gibt es nur in München, Nürnberg und Würzburg - sie unterstehen der neuen Einsatzzentrale an der Donnersberger Brücke und nehmen den Kollegen dort Arbeit ab.

Immer mehr Gewalt gegen Mitarbeiter

In München sitzen in dieser Zentrale rund um die Uhr mindestens vier Mitarbeiter vor jeweils zehn Bildschirmen mit Kamerabildern aus südbayerischen Bahnhöfen. Schichtleiterin Lisa Schürer zum Beispiel hat gerade die Ausgänge des Hauptbahnhofs im Blick. Mal fällt jemand ins Gleisbett, mal werden schlafende Reisegäste beklaut. Dann schickt sie eine Polizeistreife vorbei. Nebenbei nimmt sie auch Notrufe aus 125 Aufzügen an Bahnhöfen entgegen.

Doch auch die vielen Kameras ändern nichts an der zunehmenden Aggressivität, der das Sicherheitspersonal der Bahn wie auch Streifenbeamte ausgesetzt sind. "Der Respekt ist weg", sagt Petra Höll, die Leiterin der neuen Lage- und Einsatzzentrale. Dass eine Uniform keinen Respekt mehr verschaffe, sei ein gesellschaftliches Phänomen, das sich überall beobachten lasse.

Einsatzkoordinator Ludwig Fuchs etwa geht manchmal selbst auf Streife, um den Alltag mitzuerleben. Sich beschimpfen zu lassen, sei schon normal, erzählt der 51-Jährige. Ab und an schlage ein Fahrgast auch ohne Vorwarnung zu, nur weil er ihn freundlich gebeten habe, den Fahrschein vorzuzeigen. Fuchs spricht mit unaufgeregter Stimme, derlei Ungeheuerlichkeiten sind für ihn und seine Kollegen Alltag. Damit sich die Mitarbeiter besser schützen und deeskalierend wirken können, weitet die Bahn ihre Schulungen aus, auch psychologische Beratung ist im Programm.

Bodycams sind in München kein Thema

Bodycams, wie sie die Bahn in Köln und Berlin getestet hat, sind momentan aber noch kein Thema in München. Höll würde lieber einen anderen Weg gehen: Sie wünscht sich mehr Mitarbeiter mit großen Hunden, "mindestens kniehoch sollten sie schon sein". Bisher gibt es nur je einen Streifenhund in Nürnberg und in München, dabei sind die Erfahrungen überaus positiv: "Die Hunde werden mehr geachtet als die Uniformträger."

Immerhin ist das Sicherheitspersonal im vergangenen Jahr bereits auf 300 Mitarbeiter in Bayern aufgestockt worden. Auch die Zahl der Auszubildenden wurde erhöht. 2016 konnte die Deutsche Bahn eine eigene Berufsschulklasse mit 26 angehenden Fachkräften für Schutz und Sicherheit bilden. In diesem Jahr sollen 40 junge Leute die dreijährige Ausbildung antreten. Gesucht sind insbesondere Hundebesitzer.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2017
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