Süddeutsche Zeitung

DOKFEST: Film-Tipp:Unser Freund ein Mörder?

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Wegen dem Mord an seiner Tante Charlotte Böhringer wurde Bence T. zu lebenslanger Haft verurteilt. Ein Dokumentarfilm schildert, wie es den Freunden dabei ging.

S. Hermanski

Der Mordfall Böhringer sorgt nach wie vor für Unruhe in München. Erst vor wenigen Tagen hat Bence T., der zu lebenslanger Haft verurteilte Neffe des Opfers, über seinen Anwalt Strafanzeige gegen die fünf Richter des 1.Senats des Bundesgerichtshofs wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung erstatten lassen.

Anklage Mord: Ein Freund vor Gericht heißt eine Dokumentation, die diesen Indizienprozess aus ungewöhnlicher Perspektive zeichnet: Aus dem Blickwinkel der Verlobten und der Freundesclique des Angeklagten. Sie alle glauben bis heute fest an dessen Unschuld. Dabei spricht die Autorin des Films (eine der letzten Produktionen des 2009 gestorbenen Christian Bauer), Daniela Agostini, durchaus kein Plädoyer für den Angeklagten.

Sie stellt den Ausführungen seiner Angehörigen und Anwälte unkommentiert auch die Erklärungen des Staatsanwaltes gegenüber. Vor allem dessen Worte erinnern an das irritierende Verhalten des Angeklagten in dem Marathonprozess: Bence T. hat sich kaum zu den Vorwürfen geäußert und nur in seinem "letzten Wort" seine Unschuld beteuert. Der Film verzichtet auf jede reißerische Aufbereitung des Stoffs, vielmehr stellt er geradezu neutral aus, was die Menschen aus T.s Nähe bewegt: bedingungslose Freundschaft, Liebe und Hilflosigkeit angesichts eines so schwerwiegenden Verdachts.

Weil auf jeden Kommentar und jede Psychologisierung im Film verzichtet wird, rückt dem Zuschauer dabei aber weder T.s Persönlichkeit näher, noch die eingeschworene Gemeinschaft aus seinen Schulfreunden, seiner Lebensgefährtin und, an deren Rande, auch seinem Bruder, der heute die Geschäfte im Böhringer-Parkhaus leitet. Der Zuschauer bleibt unmanipuliert durch diesen Film - ein seltener Fall.

Anklage Mord: Ein Freund vor Gericht ist am Mittwoch (12.5.2010) um 20 Uhr im Arri-Kino zu sehen.

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Quelle:
SZ vom 12.05.2010
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