Süddeutsche Zeitung

Kurzkritik:Terroristen aus Langeweile

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Der dritte Jahrgang der Otto-Falckenberg-Schule zeigt "Die Dritte Generation" nach Rainer Werner Fassbinders Film im Werkraum der Münchner Kammerspiele.

Von Barbara Hordych, München

Immer und vor allem interessierte sich Rainer Werner Fassbinder für gesellschaftliche Machtstrukturen und Gewalt in privaten Beziehungen. So auch in seinem Film über Terrorismus und politischen Untergrund "Die Dritte Generation" von 1979. Es sei eine "Komödie in sechs Teilen um Gesellschaftsspiele voll Spannung, Erregung und Logik, Grausamkeit und Wahnsinn, ähnlich den Märchen, die man Kindern erzählt, ihr Leben zum Tode ertragen zu helfen". So zitieren die elf Falckenberg-Schüler und -Schülerinnen in der von Charlotte Sprenger inszenierten Theaterfassung Fassbinders Worte im Werkraum.

Zunächst sind sie als Individuen schwer auseinanderzuhalten in ihren Uniformen aus beigen Tuniken und weiten Hosen, die erst am Ende einem stylishen Siebziger-Jahre-Look weichen. Vorgeblich sind sie Terroristen der dritten Generation, die in ihrer "Zelle" einen Einsatz ersehnen. Recht eigentlich handelt es sich bei ihnen aber um eine Gruppe eher gelangweilter junger Leute, die sich in wechselnden Konstellationen und mit losen Verweisen auf gesellschaftlich-systemische Missstände in einer Berliner Altbau-Wohnung auf und zwischen drei Matratzen umtänzeln, umarmen und verletzen. Eine kluge Stück-Wahl, gibt sie doch allen Beteiligten die Chance, sich in Mini-Szenen zu präsentieren.

Hervorzuheben ist Susanne (Arina Toni), die mit Edgar lebt, aber auch mit dessen Bruder schläft. Während ihr Edgar (Alvaro Rentz) mit einem Megafon ins Ohr trötet "Du tust mir weh", dudelt Philipp Poisels "Wie soll ein Mensch das ertragen" aus dem Lautsprecher. Mit dem "geheimnisvollen Paul", einem in Afrika geschulten Terroristen, und zwei entlassenen Bundeswehrsoldaten mischen Neuzugänge die Gruppe auf: Florian Voigt brilliert als akrobatisch-verführerischer Paul, der auch Chansons performt; Isabell Antonia Höckel beweist als belesener Bernhard von Stein ansteckende Dynamik. Im Gegenzug geistert Nils Thalmann als heroinsüchtige Ilse mit beeindruckend somnambuler Intensität durch den Abend.

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