Süddeutsche Zeitung

Demo gegen Bagida-Anhänger:Protest in C-Dur: "Keiner hat euch lieb!"

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Von Martin Bernstein

"Mama, ich hab' eine Idee: Wir laufen Schlangenlinien", sagt das fröhliche kleine Mädchen. "Wirst gleich verhaftet", gibt die Mutter pädagogisch wenig wertvoll zurück. Schlangenlinien laufen: Das muss, wer an diesem Montagabend in der Nähe des Goetheplatzes zu tun hat oder einfach nur nach Hause will. Die Polizei hat weiträumig abgesperrt. Viele Läden haben vorzeitig geschlossen. Bagida demonstriert wieder. Und auch rund 2300 Gegner der Islamfeinde sind da. "Keiner mag euch, keiner hat euch lieb!", singen sie.

Es mag manchem inzwischen wie ein Ritual vorkommen, - für Tausende Münchner ist es immer noch ein notwendiges Ritual: der allmontägliche Protest gegen die Islamfeinde von der "Bagida. "Natürlich blasen wir denen den Marsch. Wir lassen Pegida keine Chance, ihre Parolen zu verbreiten", schreibt ein Teilnehmer vor Beginn der Gegenkundgebung auf dem Goetheplatz. "C-Dur?", fragt der Mann an der Tuba. "C-Dur", bestätigen die Mitmusiker vorm Royal-Kino. Bands haben sich anmelden können, um ein lautes und fröhliches musikalisches Gegenprogramm zu den antiislamischen Tönen der Bagida-Anhänger zu bieten. Bayerischer Zwiefacher gegen selbsternannte bayerische Abendlandsverteidiger.

Etwa 70 Neonazis laufen mit

Ursprünglich haben Bagida-Gegner auf eine angemeldete Gegendemonstration verzichten wollen und zum spontanen Protest am Straßenrand aufgerufen. Am Wochenende hat dann jedoch Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat eine Gegenkundgebung angemeldet. Von 18 Uhr an treten auf dem Goetheplatz Mitglieder der Münchner Philharmoniker, die Gerner Zipfeklatscher und die Polka Dolls sowie zahlreiche weitere Musiker - Profis wie Laien - auf. Bagida hat reagiert und die eigene Auftaktkundgebung um eine halbe Stunde nach hinten verschoben. Als die Islamfeinde - nach Schätzung der Polizei etwa 500 - am Goetheplatz auf ihre musizierenden Gegner treffen, wird die Stimmung aggressiv, gewaltsame Übergriffe aber gibt es keine.

Laut der antifaschistischen Informationsstelle Aida marschieren etwa 70 Neonazis bei der Bagida-Truppe mit, zum ersten Mal gesichtet wird auch Münchens rechtsextremistischer Stadtrat Karl Richter. "Extremisten sind bei uns nicht erwünscht", ruft Bagida-Organisatorin Birgit Weißmann. Im Vorfeld hatte sie Gegendemonstranten als "primitiven und provozierenden Mob" bezeichnet. Nun wettert sie gegen hohe Steuern, Aktionäre und die "Shopping-Mentalität".

Schneebälle auf die Islamfeinde

Anschließend läuft die Menge weiter zur Matthäuskirche, die Bagida-Gruppe wächst auf etwa 800 Teilnehmer an, doch auch hier werden sie von Gegendemonstranten empfangen und ausgepfiffen, dann fliegen Schneebälle auf die Islamfeinde. Die Polizei tut alles, um Bagida, Gegner und Passanten auseinanderzudividieren, bildet eine massive Sperrkette. 900 Beamte sind im Einsatz, auch nach dem Ende der Kundgebung müssen sie die Gruppen trennen, dann im Hauptbahnhof. Mit Erfolg, bis zum späten Abend bleibt es friedlich.

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