Süddeutsche Zeitung

Kritik:Mit Georg Büchner durch die Krisen

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Philipp Arnolds Inszenierung von "Dantons Tod" im Bamberger ETA-Hoffmann-Theater ist aus einem Guss.

Von Florian Welle, Bamberg

Büchners Danton ist gleichermaßen Nihilist, der in den Menschen "Wurmfraß" sieht, wie begnadeter Rhetor und großer Hedonist. Es leuchtet daher vollkommen ein, dass Philipp Arnold ihn von drei Schauspielern verkörpern lässt. Doch nicht nur das: Stefan Herrmann, Leon Tölle und Barbara Wurster sind in der Inszenierung von "Dantons Tod" im ETA-Hoffmann-Theater auch Robespierre, Camille Desmoulins, Julie und St. Just.

Viel mehr von Büchners überbordendem Personal hat der Hausregisseur des Münchner Volkstheaters nicht übriggelassen. Und dadurch dem sprachmächtigen Drama, das sich der Radikaldemokrat in wenigen Wochen von der Seele schrieb, ehe er sich im Frühjahr 1835 nach Straßburg absetzte, noch zusätzlich Wucht verliehen. Arnolds komprimierte Fassung beginnt und endet als durchgeknalltes Puppenspiel, bei dem Dantons Kopf rollt. Dazwischen muss der revolutionsmüde Danton seine letzten Lebenstage immer wieder und wieder durchleben.

Und täglich grüßt die Antriebsschwäche: Längst zum geflügelten Wort gewordene Passagen wie "Was ist das, was in uns lügt, stiehlt und mordet?" werden dem Zuschauer von dem Trio in Wiederholungsschleife vorgesetzt. Oft sind Stefan Herrmann, Leon Tölle und Barbara Wurster gleichzeitig Danton, der im Gegensatz zu Robespierre nicht weitermorden will und kann. Im Chor sprechen sie die großen Monologe frontal ins Publikum, sehr akkurat, druckvoll und eisig. Lediglich die Gesten unterscheiden sich. Hier ist die Hand gen Himmel gereckt, dort wird aggressiv mit dem Zeigefinger gefuchtelt, einer fasst sich ans Herz.

Philipp Arnolds Inszenierung ist aus einem Guss. Auch die Fremdtexte, die er hineinmontiert hat - Büchners "Fatalismusbrief", Hannah Arendts Gedanken über die Revolution -, fügen sich. Dass hier alles passt, mag auch daran liegen, dass Arnold mit dem Bühnenbilder Viktor Reim und der Kostümbildnerin Julia Dietrich schon in mehreren Produktionen zusammengearbeitet hat.

Es dominiert kaltes Schwarz-Weiß. Die Schauspieler stehen in weißem Hemd, schwarzer Hose, schwarzem Überrock an der Rampe, selten mal auf der schräg gestellten Spielfläche der Drehbühne. Dahinter ein Vorhang mit weißen Streifen, die an Käfiggitter erinnern. Die Bühne ist grell eingeleuchtet, weshalb der Bruch umso größer ausfällt, wenn sich das Licht nach den Auftritten des "Blutmessias" Robespierre dunkelrot färbt. Dazu ein Klangteppich, der beständig bedrohlich-leise bummert, um sich ab und an zur Kakophonie zu steigern.

Schwarz und Weiß: Das steht auch für die Antipoden Danton und Robespierre. Grau, das eine dritte Option zwischen Fatalismus und Terreur wäre - Fehlanzeige. Diese Option zu finden und in die Tat umzusetzen, ist wohl das ethische Anliegen von Arnolds ästhetisch durchkomponierter Inszenierung. Gemeint als Auftrag an uns angesichts der krisengeschüttelten Welt von heute. Ansonsten ist es wie in Taylor Swifts Song "Snow on the beach", den die Schauspieler gemeinsam singen, während in einer Videoeinspielung sehr verloren vor sich hin wehende Palmen zu sehen sind und es dazu vom Schnürboden schniebelt: "Weird but fucking beautiful."

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