Süddeutsche Zeitung

Wirtschaft:Mitten in der Teuerungswelle

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Die Preise für Erdgas, Heizöl und Benzin schnellen nach oben. Auch Lebensmittel sind deutlich teurer als im Vorjahr. Die Preissteigerungen bereiten vor allem Alleinerziehenden oder Rentnern im Landkreis enorme Schwierigkeiten

Von Julia Putzger, Dachau

Beim Blick auf die privaten Kontoauszüge kann einem gerade mehr als schwindelig werden: Die Preise für Benzin und Diesel an der Tankstelle schnellen in die Höhe, wer mit Öl heizt und den Tank im Keller dieser Tage auffüllen ließ, musste eine ordentliche Summe blechen. Auch der Einkauf im Supermarkt gleicht einer Schnäppchenjagd, zumindest sofern man nicht mehr ausgeben möchte als noch vor einem Jahr. Rein statistisch ist in Deutschland im Vergleich zum Vorjahresmonat alles um 4,5 Prozent teurer geworden - so hoch war die Inflationsrate zuletzt vor knapp 20 Jahren.

So mussten auch die Dachauer Stadtwerke ihre Kunden kürzlich in einem Brief über Preiserhöhungen ab 2022 informieren. Zwar hätten die Stadtwerke dank ihrer "vorausschauenden und risikominimierenden Beschaffungsstrategie" die Auswirkungen der großen Preisschwankungen an den Großhandelsmärkten abfedern können, heißt es in einer Pressemitteilung. Doch die aktuellen Kostensteigerungen - um ganze 440 Prozent sei der Großhandelspreis etwa für Erdgas zwischen Januar und Oktober gestiegen - könne man nicht vollständig ausgleichen. Bemerkbar macht sich das vor allem für jene Haushalte, die mit Erdgas heizen: Bei einem durchschnittlichen Jahresverbrauch von 15 000 Kilowattstunden - das entspricht ungefähr einer Wohnfläche von 100 Quadratmetern - werden künftig monatlich fast 30 Euro mehr fällig. Das entspricht einer Teuerung von 44 Prozent. Da Erdgas zur Stromerzeugung genutzt wird, steigt auch der Strompreis, wenngleich weniger stark.

Wer im Winter in den eigenen vier Wänden nicht frieren möchte, muss jedoch nicht nur dann tief in die Tasche greifen, wenn er eine Erdgasheizung besitzt. Auch Heizöl ist wesentlich teurer geworden: Laut dem Statistischen Bundesamt hat sich der Preis dafür im Vergleich zum Vorjahresmonat ziemlich genau verdoppelt.

Für Silvia Stieglmaier heißt es darum dieser Tage: Wenn das Telefon klingelt, muss sie viel erklären. Vor elf Jahren hat sie gemeinsam mit ihrem Mann das Geschäft der Schwiegereltern übernommen, 2500 bis 3000 Kunden im ganzen Landkreis beliefert Heizöl Stieglmaier jährlich von Odelzhausen aus. Eine ganze Menge habe sie in dieser Zeit schon erlebt, Hochs und Tiefs bei den Preisen gab es immer wieder. Doch einen so "krassen Sprung" wie jetzt habe es bisher nicht gegeben. Entsprechenden Frust äußerten die Kunden deshalb auch bei ihr am Telefon, selbst wenn den meisten bewusst sei, dass der Betrieb nur als Vermittler und nicht als Preisgestalter auftrete. "Viele wollen wissen, warum es im Internet günstiger ist als bei uns", erzählt Stieglmaier. Das ärgert sie besonders, denn die großen Internetanbieter würden online oft mit Preisen werben, die dann aber nicht der Realität entsprächen, so aber das Geschäft für die Familienbetriebe wie ihren kaputt machen.

Bei den aktuellen Preissteigerungen würden viele Kunden ohnehin geringere Mengen abnehmen: "Gerade für Alleinerziehende oder Rentner ist das jetzt sehr schwierig, die müssen anfangen, in Raten zu zahlen", sagt Stieglmaier. Ihre Stimme lässt erahnen, dass sie nicht nur persönlich von der Gesamtsituation gefrustet ist, sondern sich auch Sorgen um das Wohl langjähriger Kunden macht.

Teurer werden aktuell neben der Energie in jeglicher Form auch Nahrungsmittel, darunter laut Statistischem Bundesamt vor allem Molkereiprodukte, Eier, Brot und Fleisch. Spürbar wird das nicht nur für den Kunden beim Einkauf im Supermarkt, sondern auch für die Lebensmittelverarbeiter selbst. "Mein Eierproduzent hat mir schon angekündigt, dass es ab Januar teurer wird", erzählt Metzger Werner Braun, Obermeister der Innung Dachau-Freising. Diesen Preisanstieg möchte er jedoch nicht direkt an seine Kunden weitergeben, da "vernünftige Ernährung leistbar bleiben muss". Doch nicht alle seiner Kollegen können nach diesem Credo arbeiten, da natürlich auch andere Faktoren eine Rolle spielen - die steigenden Energiepreise machen auch ihnen zu schaffen. Da sowohl Metzger, wie auch Bäcker, sogenannte Rahmenverträge mit einer Laufzeit von ein oder zwei Jahren abschließen, wirkt sich zwar nicht jede Schwankung sofort aus. Doch wer gerade jetzt einen neuen Vertrag verhandeln musste, muss leider deutlich mehr zahlen.

Nicht zuletzt belasten die Teuerungen auch die Kassen der Kommunen. So warnte Dachaus Stadtkämmerer Thomas Ernst in den Sitzungen der vergangenen Wochen vor den zusätzlichen Kosten durch die steigenden Energiepreise. Denn als Sachaufwandsträger ist die Stadt unter anderem dafür verantwortlich, dass die Schüler der vier Grund- und zwei Mittelschulen in ihren Klassenzimmern bei angenehmen Temperaturen lernen können, das Rathaus muss ebenfalls geheizt werden.

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SZ vom 24.11.2021
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