Süddeutsche Zeitung

Schulamt Dachau:An allen Mittelschulen fehlen Lehrer

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"Von Sport bis Flöte ist alles betroffen": Der Unterricht in speziellen wie allgemeinbildenden Fächern, vor allem aber auch die individuelle Förderung der Schüler leidet, weil Personal fehlt.

Petra Schafflik

Auch an den Mittelschulen im Landkreis zeichnet sich für das neue Schuljahr ein massiver Lehrermangel ab. "Wir haben noch ein großes Defizit", sagt Schulrätin Isolde Stefanski. Die Leiterin des Dachauer Schulamts bestätigt damit Warnungen und Protestnoten, mit denen sich vorige Woche der Bayerische Schulleitungsverband, der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband und der Schulräteverband an die Öffentlichkeit gewandt haben. "Die Lücken sind beachtlich", so Stefanski. Gravierende Folgen drohten: "Arbeitsgemeinschaften, Wahlfächer und individuelle Förderstunden müssten total gekürzt werden."

Bei aller Sorge bleibt die Schulrätin jedoch zuversichtlich. "Bisher wurde noch jedes Jahr eine Lösung gefunden." Aber wie? Das Riesenloch in der Lehrerversorgung, betrifft alle elf Mittelschulen im Landkreis gleichermaßen. Den Mittelschulverbünden Dachau und Markt Indersdorf, in denen sich jeweils vier beziehungsweise fünf ehemalige Hauptschulen zusammengeschlossen haben, mangelt es nach aktueller Planung ebenso an Pädagogen wie der Mittelschule Karlsfeld, die als Modellschule einen eigenen Weg beschreitet. Konkret gebe es zu wenige Fachlehrer, die im Bereich Ernährung und Gestaltung, also den ehemaligen Fächern Hauswirtschaft und Handarbeit/Werken unterrichten könnten, sagt die Schulamtsleiterin. Vor allem aber fehlten Pädagogen für die allgemeinbildenden Fächer wie Deutsch und Mathematik. Diese Lücke sei groß, "es geht nicht um fünf oder zehn Schulstunden." Die Klassenleitungen können zwar an allen Schulen und für alle Jahrgangsstufen besetzt werden - und damit ist der Kernunterricht gesichert.

Klaus Wenzel, Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, warnt in seinem Brandbrief an Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU): "Der Pflichtunterricht steht auf der Kippe." Das treffe auf den Landkreis momentan nicht zu, erklärt Stefanski. Aber aller Unterricht, der über die Pflicht hinausgehe ,gerate in Gefahr. Gestrichen werden müssten Arbeitsgemeinschaften und Wahlfächer: "von Sport bis Flöte ist alles betroffen". Auch in der individuellen Förderung sind grobe Einschnitte notwendig, wie die Schulrätin sagt. Der Lehrermangel, wie er sich jetzt im Landkreis für die Mittelschulen abzeichnet, beschäftigt aktuell Schulräte und Rektoren in ganz Bayern. Bereits vergangene Woche hatten Interessensverbände und Berufsorganisationen lautstark Alarm geschlagen. "Noch niemals gab es eine ähnliche Situation", beklagte der Schulleitungsverband als Interessensvertretung der bayerischen Grund- und Mittelschulen. Tatsächlich gebe es jedes Jahr lange Zeit Bewegung in der Lehrerzuweisung, erklärt die Dachauer Schulrätin. Doch sei die Situation in diesem Jahr ungewöhnlich ernst. Allerdings mag sich Stefanski bei der Ursachenforschung den Argumenten der Verbände nicht anschließen. Eine entgegen der amtlichen Prognose unerwartet hohe Schülerzahl, wie sie der Schulleiterverband benennt, gebe es an den Mittelschulen im Landkreis definitiv nicht. "Bei uns liegen die Schülerzahlen völlig im normalen Rahmen."

Vielmehr habe das Dachauer Schulamt mit einem anderen Phänomen zu kämpfen. Weil Oberbayern mit noch steigenden Schülerzahlen die meisten Lehrer im Freistaat benötige, werden viele Berufseinsteiger hierher und nicht in den Regierungsbezirk ihrer Wahl etwa Franken oder die Oberpfalz versetzt. Doch Junglehrer träten dann diese heimatferne Stelle im Landkreis Dachau oft nicht an, berichtet die Schulamtsleiterin, die gerade wieder eine Absage eines Stellenanwärters aus dem Faxgerät gezogen hat. "Diese Lehrkräfte stornieren, wenn sie es sich aus ihrer persönlichen Situation heraus und finanziell leisten können." Die Besetzung der freien Stellen sei daher zeitintensiv.

Das Kultusministerium versucht den Aufruhr in den Rektoraten und Schulämtern zu glätten. Noch sei wie üblich um diese Zeit die Klassenbildung nicht abgeschlossen, heißt es in einer Stellungnahme des Kultusministeriums. Daher sei die Sorge um die notwendigen Lehrerzuweisungen "verfrüht und falsch." Tatsächlich ist auch in vergangenen Sommern schon häufiger Unruhe um die Lehrerversorgung entstanden. "Bis zum ersten Schultag gibt es täglich Bewegung", bestätigt Stefanski. Die Dachauer Schulamtsleiterin ist daher zuversichtlich, dass erneut Lösungen gefunden werden. Eine gewisse Anspannung bleibt bei der erfahrenen Schulrätin trotzdem. "Heuer scheint es mir ein besonders großes Problem." Eine gute Nachricht kommt indes auch aus dem Dachauer Schulamt: Alle Grundschulen sind sehr gut mit Pädagogen versorgt.

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Quelle:
SZ vom 17.08.2012
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