Süddeutsche Zeitung

Nachruf auf Eva Hönigschmid:"Jetzt reicht's"

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Eva Hönigschmid aus Bergkirchen war mit Mitgliedern der Weißen Rose befreundet. Jetzt ist sie im Alter von 103 Jahren gestorben.

Nachruf von Leonard Scharfenberg, Bergkirchen

"Ich bin ein glücklicher Mensch." Das hat Eva Hönigschmid erst vor Kurzem gesagt. Am 6. Februar, ihrem 103. Geburtstag, an dem noch einmal viel Trubel um sie war. Landrat und Bürgermeister kamen zu Besuch, das Telefon stand nicht still. Einen Monat später, am vergangenen Samstag ist Hönigschmid gestorben. Friedlich, in Ruhe und ohne Schmerzen, wie ihr Sohn Markus Hönigschmid erzählt.

Sie habe akzeptiert, dass sie jetzt gehen müsse, sagt er. In den vergangenen Monaten hatte sich ihr Gesundheitszustand erheblich verschlechtert. Für eine Frau, die so viel erlebt hat, so viel getan und bewegt, muss es schwer gewesen sein, nicht mehr in der Lage zu sein, das eigene Leben zu gestalten. "Jetzt reicht's", habe sie dann gesagt. Und das sei auch okay so, sagt ihr Sohn. Er sei dankbar, dass sie bis zum Schluss zu Hause bleiben konnte.

Hönigschmid wird am 6. Februar 1920 als Eva von Proskowetz im tschechischen Kvasice geboren, als Tochter einer reichen Industriellenfamilie. Am selben Tag wie der KZ-Überlebende Max Mannheimer, was sie allerdings erst sehr viel später, an ihrem 90. Geburtstag, erfährt. Bis zu seinem Tod verband sie mit Mannheimer, ihrem "Zwilling", wie sie ihn nannte, eine enge Freundschaft.

Ein halbes Jahr vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zieht Hönigschmid nach München und beginnt ihr Studium der Chemie. Im Unisport - Hönigschmid ist leidenschaftliche Fechterin - lernt sie Alexander Schmorell und Christoph Probst kennen. Sie freundet sich mit den Männern an, besonders mit Schmorell. Im Jahr 1940 zieht sie zurück nach Prag und heiratet ihre Jugendliebe, Wolfgang Hönigschmid. Mit Probst und Schmorell hält sie Briefkontakt, auch nachdem sich die beiden gemeinsam mit Kurt Huber und Hans und Sophie Scholl zur Weißen Rose zusammenschließen. Nur als sie von der Gruppe gebeten wird, Flugblätter in Prag zu verteilen, lehnt sie ab. Sie hat zu diesem Zeitpunkt bereits zwei kleine Kinder.

Bis zu ihrem Tod wird sie immer wieder zu Gedenkveranstaltungen eingeladen und gebeten, aus den Briefen zu lesen, die die Mitglieder der Weißen Rose vor ihrer Ermordung im Gefängnis an ihre Familien geschrieben haben. Die Erinnerung an die Widerstandsgruppe ist ihr wichtig. Prachtvolle Menschen seien das gewesen, sagte sie vor drei Jahren der SZ. Jetzt - eine Woche nach dem Tod von Traute Lafrenz - stirbt mit Hönigschmid einer der letzten Menschen, der die Mitglieder der Weißen Rose persönlich kannte.

Ein Mensch, mit dem man gut Lachen konnte

Nachdem ihr Mann 1946 aus der Kriegsgefangenschaft freikommt, ziehen die Hönigschmids nach München. Nach seiner Pensionierung geht es dann nach Bergkirchen. Ab da habe ihr schönes Leben begonnen, erzählte sie einmal der SZ. Sie wird hier bis zu ihrem Tod bleiben. Heute kennt sie wohl jeder im Ort. Denn Hönigschmid hat die Gemeindebücherei aufgebaut, Vorlesestunden für Kinder organisiert und war lange die Organistin der Kirche. "Sie war hier ein bunter Hund", erzählt Markus Hönigschmid. In ihrem Haus in Eisolzried sei immer viel Besuch gewesen. Seine Mutter habe das gemocht, erzählt er. Sie habe gern andere Menschen um sich gehabt. Hönigschmid hinterlässt eine große Familie: vier Kinder, sechs Enkel und zehn Urenkel.

An ihrem 95. Geburtstag ist am Berkirchener Bruggerhaus ein Walnussbaum für Hönigschmid gepflanzt worden. In Eisolzried erinnert zudem ein Hörpfad an ihr Leben. Hönigschmid war ein außergewöhnlicher Mensch: wach, integer und engagiert. Und nie müde, Neues zu lernen. Mit 90 Jahren bringt sie sich Englisch bei, nicht zuletzt um "mit Begeisterung" englische Krimis zu lesen.

Wer in den vergangenen Wochen versucht hat, Hönigschmid zu erreichen ist früher oder später ins Gespräch mit Bori Hoffbauer gekommen. Die ungarische Pflegerin hat sich die vergangenen sechseinhalb Jahre um sie gekümmert. Wenn man mit Hoffbauer spricht wird schnell klar, Hönigschmid war für sie nicht nur eine Patientin, sondern eine Freundin. Sie sei ein guter Mensch gewesen, erzählt Hoffbauer, hörbar gerührt. Und vor allem: eine Frau, mit der man wirklich gut lachen konnte.

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