Süddeutsche Zeitung

Luftfilter für Dachaus Schulen:Bildungspolitik im Aerosolnebel

Lesezeit: 3 min

In einem Eilantrag fordern CSU, ÜB und FDP die Anschaffung von Raumluftreinigungsgeräten für Dachaus Schulen.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Das Thema Luftreiniger an Schulen schlägt kurz vor den Sommerferien weiter hohen Wellen: In zwei Eilanträgen haben nun auch zwei Dachauer Stadtratsfraktionen dazu Stellung bezogen. Sowohl die CSU-Fraktion, als auch die Fraktionsgemeinschaft aus ÜB und FDP fordern in ihren Anträgen die Anschaffung von "mobilen Raumluftreinigungsgeräten" für die Jahrgangsstufen eins bis sechs, "so dass Schülerinnen und Schüler, für die es mangels Impfzulassung keine Möglichkeit der Impfung gibt, bestmöglich geschützt werden", wie es etwa im Antrag der CSU heißt. Bereits in der Stadtratssitzung vom 27. Juli soll ihrem Wunsch nach über die Beschaffung der Luftreiniger entschieden werden.

In einem Pressegespräch Anfang Juli hatte Landrat Stefan Löwl gemeinsam mit seinem Fürstenfeldbrucker Kollegen Thomas Karmasin (beide CSU) und dem Geschäftsführer des Bayerischen Landkreistages, Johann Keller, scharfe Kritik am Vorgehen der Bayerischen Staatsregierung geübt. Diese hatte ohne Absprache mit den kommunalen Vertretern angekündigt, die Kosten für die Geräte zu rund 50 Prozent übernehmen zu wollen. Allerdings ohne eine Studie vorweisen zu können, die belegt, dass die Geräte einen Präsenzunterricht im Winter sicherstellen und ohne zu wissen, wie viele Geräte pro Klassenzimmer überhaupt benötigt werden würden und welche Geräte förderungsfähig wären, wie Landräte und Bürgermeister zahlreicher Kommunen kritisieren. Da die Geräte zwischen 3500 und 5000 Euro kosten, hält Landrat Löwl es trotz der versprochenen Förderung seitens der Staatsregierung für unzumutbar, den ohnehin finanziell belasteten Kommunen die übrigen Anschaffungskosten aufzubürden. Und, auch das klang in dem Gespräch an, selbst wenn man sich letztlich für die Beschaffung entscheide, könne es noch gut ein halbes Jahr dauern, bis die Geräte auch tatsächlich geliefert werden. Geht man davon aus, dass eine Entscheidung nicht vor der Sommerpause fällt, ist mit Luftreinigern in allen Klassenzimmern somit frühestens im kommenden Frühjahr zu rechnen.

Auch die CSU-Fraktionssprecher Florian Schiller und die Schulreferentin Katja Graßl schreiben in ihrem Antrag, dass ihnen klar sei, dass der Stadtrat bei einem positiven Beschluss ein hohes finanzielles Risiko eingehe, "und das in einer Zeit, in der die Kassen leer sind". Man sei sich der bewusst, dass der Antrag mit Sparanstrengungen konterkariere. "Allerdings, wenn wir für etwas sparen oder Einnahmen erhöhen müssen, dann doch für diejenigen, die unser aller Zukunft sind: unsere Kinder!" Zudem sieht die CSU-Fraktion auch die Staatsregierung in der Verantwortung: "Mit diesem Antrag wird die klare Erwartung verbunden, dass die Bayerische Staatsregierung die entsprechende Verordnung zum Infektionsschutz dahingehend anpasst, dass der Schulbetrieb bei Einhaltung der bisherigen Regeln (Maske, Lüften) in Kombination mit entsprechenden Filtern, sichergestellt werden kann."

Die Fraktionsgemeinschaft ÜB/FDP sieht als Schulaufwandsträger für die Grund- und Mittelschulen im Stadtgebiet die Stadt Dachau in der Verantwortung. Als Beispiel, wie man die Beschaffung handhaben könnte, führen Ingrid Sedlbauer, Peter Gampenrieder (beide ÜB) und Jürgen Seidl (FDP) die Landeshauptstadt München an: Dort hatten die Stadtratsfraktionen von Grünen/Rosa Liste, SPD/Volt, CSU sowie FDP und Bayernpartei in einem gemeinsamen Antrag gefordert, sukzessive Luftreiniger zu beschaffen. Angefangen bei der 1. Klasse und im weiteren Verlauf dann auch für die weiteren Klassen bis hin zu den 6. Klassen.

Man sei sich bewusst, "dass derzeit viel über die Angemessenheit der Höhe der Förderung durch den Freistaat Bayern und auch über die generelle Wirksamkeit von Luftreinigern diskutiert wird", heißt es in dem Antrag. Nach Meinung der Stadträte unterstützten die Geräte aber "zumindest die weiterhin notwendigen Hygiene- und Lüftungsmaßnahmen in wirksamer Weise". Die Stadt Dachau müsse deshalb alles in ihrer Macht Stehende tun, um einen Präsenzunterricht im kommenden Schuljahr sicherzustellen. Da aber nicht davon auszugehen sei, dass die Geräte zu Beginn des Schuljahrs im Herbst bereits in entsprechender Anzahl verfügbar sein werden, "sehen auch wir die sukzessive Versorgung beginnend mit den untersten Jahrgangsstufen als zweckmäßig an", heißt es in dem Antrag abschließend.

Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) ist, zumindest was das Thema Luftreiniger anbelangt, auf einer Linie mit Landrat Stefan Löwl, sowie im Grund mit den vier kommunalen Spitzenverbänden aus Bayerischem Städtetag, Gemeindetag, Landkreistag und Bezirkstag. Mit dem Vorstoß der Staatsregierung seien Erwartungen geweckt worden, "die nur zu Enttäuschungen führen werden", sagt Hartmann der SZ Dachau am Telefon. Es seien schlicht zu viele Fragen ungeklärt: Werden überhaupt pünktlich zum Schuljahresbeginn ausreichend Geräte verfügbar sein? Warum schlägt der Freistaat nur eine Förderung von 50, nicht von 100 Prozent vor? Warum wird vor allem über Schulen, aber kaum über Kindertagesstätten gesprochen? Und: "Warum kann mir keiner versichern, dass man mit diesen Geräten normal Unterricht machen kann?", sagt Hartmann. Es sei schade, dass es da nach wie vor keine "klare Aussage" gebe. Die Stadt Dachau handhabe es bislang in jedem Fall so wie der Landkreis: Luftreinigungsgeräte wurden nur für jene Schulräume angeschafft, in denen eine Lüftung bislang nicht möglich war, weil sie keine Fenster haben.

Die nun bei der Stadt eingegangenen Eilanträge seien für die Verwaltung keine "große Arbeit", weil man sich mit dem Thema schon beschäftigt und eine Wiedervorlage für den nächsten Familien- und Sozialausschuss, die ebenfalls am 27. Juli stattfinden soll, ohnehin geplant gewesen sei. Allerdings, auch das macht Hartmann deutlich, könne die Verwaltung in diesem speziellen Fall keine Empfehlung aussprechen. Es fehle schlicht das entsprechende Personal für eine fundierte Bewertung. Daher könne man lediglich Gutachten vorlegen und davon gebe es mittlerweile sehr viele - sowohl für als auch gegen die Beschaffung. "Da kriegen Sie alles", sagt Hartmann. Wie Landrat Löwl sieht er deshalb die Staatsregierung in der Bringschuld, zuzusichern, dass ein Präsenzunterricht mit Luftreinigern möglich ist.

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Quelle:
SZ vom 19.07.2021
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