Süddeutsche Zeitung

Asylpolitik:Dachau ist kein sicherer Hafen

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Landrat Stefan Löwl betreibt eine restriktive Asylpolitik. Er versteckt seine politische Verantwortung dafür hinter gesetzlichen Vorgaben aus Berlin.

Kommentar von Jessica Schober

Wenn Landrat Stefan Löwl (CSU) behauptet, seine Ausländerbehörde würde die Ermessensspielräume in der Asylpolitik "großzügig ausnutzen", kann man das nur zynisch nennen. Von Großzügigkeit kann keine Rede sein, wenn steuerzahlende Mitbürger willkürlich kriminalisiert und Geflüchtete reihenweise abgeschoben werden, allein 20 im Jahr 2021. Löwl betreibt eine restriktive Asylpolitik. Er versteckt seine politische Verantwortung dafür hinter gesetzlichen Vorgaben aus Berlin - die er im Zweifel zuungunsten von Geflüchteten auslegt.

Beispiel Passbeschaffung: Wenn ein Geflüchteter sich redlich und mit Unterstützung der Helferkreise darum bemüht, einen Pass zu besorgen, sogar eine Geburtsurkunde aus Mali vorlegt, dann darf am Ende der Anstrengungen keine Anzeige wegen illegalen Aufenthalts stehen. Nächstes Beispiel Beschäftigungsduldung: Wenn ein Geflüchteter jahrelang erfolgreich bei einem regionalen Arbeitgeber angestellt ist, warum sollte man ihm die Arbeitserlaubnis plötzlich entziehen? Welchen Gewinn erhoffen sich Ausländerbehörde und Landrat davon, einen weiteren jungen Mann in einer Containerunterkunft zu Tatenlosigkeit zu verdammen, obwohl er gern mitten in der Nacht aufgestanden wäre, um frische Brezen zu backen?

Stefan Löwl muss andere Antworten finden

Löwl könnte - aber will es nicht anders. Dabei stünden ihm weder sein angeblich christsoziales Parteibuch noch die geltende Rechtslage im Wege. Andere machen es vor; beispielsweise sein Starnberger Amts- und Parteikollege Stefan Frey (CSU), ebenfalls Jurist, der in seinem Landkreis eine andere Asylpolitik verfolgt: Er verlängert auch für jene Geflüchtete regelmäßig die Beschäftigungsduldung, deren Asylantrag bereits abgelehnt wurde - unter der Bedingung, dass sie straffrei sind, Deutsch lernen und arbeiten. Man muss das nicht als großen Humanismus bezeichnen, es ist schlichtweg vernünftig, die Leute weiterarbeiten zu lassen, auch wenn eine Abschiebung im Raum steht.

Bald sieben Jahre nach der Ankunft vieler Geflüchteter in Deutschland, muss Löwl andere Antworten finden als Achselzucken und Anklagen. Dass er die Möglichkeit einer Aufenthaltsgewährung bei nachhaltiger Integration nach acht Jahren gar nicht erst in Erwägung zieht, ist beschämend. Dass sich Helferkreise und Arbeitgeber wie der Hebertshausener Bäcker Polz überhaupt noch engagieren, obwohl ihnen die Dachauer Behörden andauernd Steine in den Weg legen, kann man gar nicht laut genug loben. Auch die Initiative "Sichere Häfen" des neuen Vereins Seebrücke Dachau verdient mehr als Löwls Interpretation von Großzügigkeit.

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Quelle:
SZ vom 30.12.2021
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