Süddeutsche Zeitung

Isargaufest:In Dachau herrscht die Tracht

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Die Ampertaler feiern ihr 100-jähriges Bestehen und das 88. Isargaufest. Tausende Zuschauer verfolgen einen begeisternden Festzug bei strahlendem Sonnenschein.

Dorothea Friedrich

"Das ist ja fast wie auf dem Oktoberfest hier", sagt eine Dame mit norddeutschem Akzent. Sie irrt. Es geht viel familiärer, ungezwungener und womöglich auch fröhlicher zu als beim weltberühmten Wiesn-Festzug. Schließlich befinden wir uns nicht in der aufgebrezelten Landeshauptstadt, sondern in Dachau, das an diesem strahlenden Sommersonntag fest in der Hand der Trachtler ist. Der Volkstrachten-Erhaltungsverein D'Ampertaler feiert sein hundertjähriges Bestehen und der Isargau sein 88. Trachtenfest.

Zigtausend Besucher säumen die Straßen von der Thoma-Wiese zur Altstadt und lassen sich anstecken von der Lebensfreude, die mit einem Mal die Stadt erfüllt. "Jetzt wink' ma aber kräftig", sagt ein kleiner Schlossbergler-Bub im Leiterwagen zu seinen Altersgenossen. Die Zuschauer beklatschen jede der fast 70 Gruppen, Musikkapellen und Pferdegespanne. Besonderen Beifall erhalten D'Ampertaler, die mit gut 180 Vereinsmitgliedern "ihren" Festzug anführen. Und mal ganz ehrlich: Mit ihren individuellen Gewändern, dem reichen Schmuck, mit Brauchtumsurgestein Franz Eder und Oberbürgermeister Peter Bürgel in der Ehrenkutsche stechen sie fast alle anderen Gruppen aus. Zudem haben sie zwei Jahre Vorbereitung in diesen Tag gesteckt. Der hat für die 3500 Trachtler - darunter knapp 500 Kinder und Jugendliche - mit dem unüberhörbaren Weckruf der Böllerschützen begonnen. Nun machen sich die Trachtler auf die Suche nach ihrem Platz im unendlich langen Festzug.

Vier Männer von der Volkstanzgruppe Edelweiss aus Dachaus Partnerstadt Klagenfurt legen mal eben zur Gaudi einen Schuhplattler hin, während die Damen mit viel Liebe zum Detail die Herkunft ihrer slowenisch inspirierten Tracht erläutern und die "Kolleginnen" von der Trachtengruppe der Stadt Klagenfurt spannende Geschichten über die Tradition ihrer aufwändigen Kleidung erzählen. Die stammt nämlich aus der ehemaligen Büchsenmacherstadt Ferlach. Und die Büchsenmachergattinnen trugen gerne ihren Reichtum zur Schau. Derweil haben sich die Ampertaler-Mädchen Christina und Anna-Maria Hörl fest vorgenommen: "Wir wollen auch mit dem Tanzen anfangen."

Schließlich haben die Mitarbeiter des Bauhofs die vorläufig letzten Rossäpfel von den Straßen geräumt, die Trachtler haben ihren Platz gefunden - und der farbenprächtige Zug setzt sich in Bewegung. Der 87-jährige David Werdennig aus Klagenfurt schwingt seine schwere Fahne wie ein Junger, der "Schmied von Kochel" tut es ihm mit seiner martialischen Eisenkeule gleich. Die beiden Rösser Rino und Moses übertrumpfen mit ihrem herrlichen Geschirr jeden menschlichen Zugteilnehmer. Die Nelken am Busen der Gebirgstrachtlerinnen trotzen ebenso tapfer wie ihre Trägerinnen der Hitze. Die Damen aus Dorfen lustwandeln unterm eleganten Sonnenschirm, während die Frauen vom Trachtenverein D'Friedrichsbergler aus Trisching in der Oberpfalz mit ihren schwarzen Kopftüchern und den baumwollenen Unterröcken schnell noch erzählen, dass eben diese Unterbekleidung die Arbeitskleidung der Bäuerinnen war. Die Ordner dirigieren den Zug ohne Handy und Funkgerät. Dann kommt es an der Thoma-Wiese zu einer Begegnung der wunderfeinen Art: Die ersten Gruppen haben den Marsch durch die Altstadt bereits hinter sich, die letzten warten noch geduldig auf das Zeichen zum Aufbruch. Ein hinreißender Reigen entfaltet sich vor den Zuschauern. Und während die ersten bereits leicht ermattet dem Festzelt zustreben, bilden THW und Freiwillige Feuerwehr mit historischen Fahrzeugen den sicheren Abschluss eines Festzugs, der die lebendige Welt der Tracht von ihrer schönsten Seite zeigt.

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Quelle:
SZ vom 02.08.2012
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