Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft im Landkreis Dachau:"Heldinnen unserer Zeit"

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Beim diesjährigen Landfrauentag betont Entwicklungsminister Gerd Müller die besondere Rolle der Bäuerinnen. Seit 2017 reisen bayerische Landfrauen auch nach Kenia, um über die Zukunft der Landwirtschaft zu sprechen.

Von Anna-Elisa Jakob, Markt Indersdorf

Kurz bevor Gerd Müller an das Rednerpult tritt, zieht er eine kleine Ampulle aus seiner Tasche, schraubt sie auf, kippt sich die braune Flüssigkeit in den Mund und lässt das Fläschchen wieder verschwinden. Der Bundesminister für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit (CSU) ist etwas später zum Landfrauentag in Indersdorf eingetroffen, nun sitzt er am Tisch der Ehrengäste und wartet das letzte Lied des Landfrauenchors ab. Der Tisch ist vielmehr eine lange Tafel vieler männlicher Ehrengäste, zum Beispiel Landrat Stefan Löwl oder Altlandrat Hansjörg Christmann. Ihnen gegenüber sitzt ihre Parteikollegin und Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler, die zur Begrüßung der Anwesenden "vier Wünsche für die Zukunft" äußert, unter anderem, dass die Gesellschaft die Landwirtschaft wieder wertschätzen solle. Zukunft und Wertschätzung - das sind die zwei Schlagworte, die den Nachmittag im Gasthaus Doll bestimmen werden.

Minister Müller wird später noch aufklären, was es mit der kleinen Ampulle auf sich hat: Gelée Royale habe er getrunken, zur Stärkung für seinen Auftritt vor den rund 300 Anwesenden. Dem Futtersaft der Bienenkönigin wird in der Naturheilkunde viel nachgesagt - er soll schön machen, vor allem aber stärken und aufbauen. Also vermutlich genau das, was sich der Politiker bei einem Auftritt kurz vor den Kommunalwahlen auch für seine Partei wünscht, deren kommunale Vertreter von der Ehrentafel aus erwartungsvoll zu ihm blicken.

Und tatsächlich braucht Müller nur wenige Minuten, um die Stimmung im Saal auf seiner Seite zu haben. Freudiger Applaus setzt spätestens dann ein, als er von den ersten Berührungen seines Parteikollegen Horst Seehofer mit der Landwirtschaft zu erzählen beginnt. Gemeinsam sollen die beiden einen Stall besucht haben, um dort Kühe zu melken. Doch kaum standen sie vor der ersten Kuh, streckte der ehemalige CSU-Chef seine Hand nur ganz zaghaft aus, während Müller ihn ermutigte, das Tier ruhig anzufassen, wie er erzählt.

Dass Müller anpacken kann und dass er den Beruf des Landwirts kennt, soll in der nächsten halben Stunde seiner Rede ganz klar werden. Er erzählt viel von seiner Kindheit auf dem Bauernhof, von schweren Arbeitszeiten und der Wertschätzung für die Arbeit der Landwirte, vor allem aber für die Landfrauen. Er nennt sie die "Heldinnen unserer Zeit", spricht seine Bewunderung dafür aus, wie sie Hof, Haushalt und Kindererziehung vereinten, und sich zusätzlich noch in einem Verein wie dem der Landfrauen engagierten. So wie Kreisbäuerin Emmi Westermeier, die sich nach diesen Worten stellvertretend für all die anwesenden Landfrauen auf die eigenen Schultern klopft. Müller mischt die Schlagworte Tradition und Wertschätzung mit Erzählungen aus seiner eigenen Familie und aus der Nachbarschaft, um dann noch einmal auf die Kommunalwahl zurückzukommen. Die Zukunft liege in der Hand der Frauen, ruft er in den Raum, und wirft dabei den Blick auf die Ehrengäste.

"Aber ich bin ja auch Entwicklungsminister", sagt Müller irgendwann, und plötzlich verwandelt sich der betont traditionsbewusste Bauernjunge auf der Bühne in den weltgewandten Politiker. Seit Amtsantritt fokussiert sich Müller auf den afrikanischen Kontinent, plädiert für Wirtschaftsförderung, setzt Anreize für Investitionen und neue Technologien. "Eine Welt ohne Hunger ist möglich" - diesen Satz sagt er hier in Indersdorf nicht zum ersten Mal, aber er sagt es in Richtung derjeniger, die verstehen, wie Wissen und neue Technologien den landwirtschaftlichen Ertrag vervielfachen können.

Dabei helfen Projekte wie das Keniaprojekt, das Waltraud Ranz an diesem Nachmittag vorstellt. Unter dem Motto "Gleicher Beruf - zwei Welten" reisten mehrere bayerische Landfrauen seit 2017 regelmäßig nach Kenia, um mit Bäuerinnen vor Ort über die Zukunft der Landwirtschaft zu sprechen und gemeinsam Methoden zu entwickeln, die den Ertrag steigern. Ranz spricht dabei aus eigener Erfahrung, die 48-Jährige führt selbst einen bayerischen Milchbetrieb.

"Der Schlüssel liegt bei den Frauen", betont Ranz. Rund 75 Prozent der Arbeit wird in der kenianischen Landwirtschaft von Frauen betrieben, insgesamt 2000 von ihnen konnten sie durch ihr Projekt bereits schulen, finanziert durch das Bundesentwicklungsministerium. Mittlerweile habe das Ministerium in Kenia die Schulungsweise der Landfrauen sogar offiziell übernommen. Die Frauen sollen hierbei vor allem Wissen vermittelt bekommen, um selbstbewusst eine eigene Geschäftsidee zu entwickeln und vorhandene Mittel bestmöglich nutzen zu können. Im Austausch hat eine Delegation kenianischer Bäuerinnen auch die Höfe der bayerischen Landfrauen besucht, um sich ein Bild davon zu machen, wie Landwirtschaftsbetriebe hierzulande funktionierten. Von Beginn an sei es ein informativer Austausch gewesen, betont Ranz, sie beginnt und beendet ihren Vortrag mit einem Satz auf Swahili, der kenianischen Landessprache, der übersetzt bedeutet: "Wir sind Bäuerinnen und wir ernähren die Welt." Ein Satz, dem an diesem Nachmittag niemand widersprechen mag.

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SZ vom 20.02.2020
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