Süddeutsche Zeitung

Hebertshausen:Kritik an Zweiklassengesellschaft

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Realschüler und Gymnasiasten kommen mit Schulbussen direkt nach Markt Indersdorf. Weniger komfortabel ist die Anreise für Mittelschüler aus Hebertshausen und Röhrmoos.

Petra Schafflik

- Seit der Reform von 2010 heißen die bayerischen Hauptschulen nun Mittelschulen. Mit dem neuen Namen wird auch signalisiert, dass diese Schulform mit ihrem Mittlere-Reife-Zweig eine attraktive Alternative darstellt zu Realschule und Gymnasium. Doch in der Praxis fühlen sich einige Mittelschüler im Landkreis nach wie vor als Schüler zweiter Klasse. Wo nämlich Realschüler und Gymnasiasten mit Schulbussen direkt zu ihren Schulen in Markt Indersdorf kommen, müssen manche Mittelschüler für denselben Weg umständlich mit dem öffentlichen Nahverkehr fahren. Mit deutlich längeren Fahrzeiten und störanfälligem Umsteigen.

Betroffen sind Kinder aus Hebertshausen und Röhrmoos, die Ganztagsklassen oder den M-Zweig in Markt Indersdorf besuchen. Nur dort werden diese Unterrichtsformen zentral für den gesamten nördlichen Schulverbund angeboten. "Aber der Schülertransport funktioniert nicht kindgemäß", monierte Gemeinderat Florian Zigldrum (CSU) im Hebertshausener Rat. Auch im Röhrmooser Gemeinderat hatte es im Sommer schon Kritik gegeben. Bisher ohne Erfolg.

Über die Zwei-Klassen-Gesellschaft der Beförderung ärgert sich auch Doris Kowalczuk aus dem Hebertshausener Ortsteil Deutenhofen. Gut eineinhalb Stunden ist ihr Sohn Marcel allein morgens unterwegs, um pünktlich zum Unterrichtsbeginn an der Mittelschule Markt Indersdorf einzutreffen. "Kurz vor 6.30 Uhr muss er aus dem Haus, um den Bus zur S-Bahn zu erreichen". Von Hebertshausen nach Vierkirchen fahren die Schüler mit dem Zug, steigen dann wieder in einen MVV-Bus um. Die Familie ärgert sich über die lange Fahrtzeit für die 13-Kilometer-Strecke, die mit dem Auto in 20 Minuten zurückzulegen ist. Auch das mehrfache Umsteigen, das Warten an Bahnsteig und Bushaltestelle sei für Kinder gerade in der kalten Jahreszeit anstrengend. Und störanfällig: "Wenn die S-Bahn Verspätung hat, ist in Markt Indersdorf der Bus zur Schule weg." Vor allem die Ungleichbehandlung sei ärgerlich. "Denn direkt vor unserer Haustür fährt täglich um kurz nach sieben Uhr der Schulbus nach Markt Indersdorf für Realschüler und Gymnasiasten", so Doris Kowalczuk. "Die Mittelschüler dürfen aber nicht mitfahren." Mit ihrem Ärger ist die Deutenhofener Familie kein Einzelfall. Schülern aus verschiedenen Hebertshausener Ortsteilen ergeht es ähnlich. Und auch Mittelschüler aus Röhrmoos haben per S-Bahn und Bus einen längeren Schulweg als Nachbarskinder, die Realschule oder Gymnasium besuchen.

Auslöser der Ungleichbehandlung sind unterschiedliche Zuständigkeiten. Für Realschulen und Gymnasien stellt der Landkreis als Sachaufwandsträger auch den Schülertransport sicher und hat dafür ein bewährtes Schulbusnetz installiert. Für die Beförderung der Mittelschüler sind die jeweiligen Schulverbände zuständig, im konkreten Fall der Schulverband Hebertshausen, zu dem auch die Gemeinde Röhrmoos gehört. "Wir haben uns um eine Lösung bemüht", erklärt der Hebertshausener Bürgermeister Michael Kreitmeir. Doch eine eigene Schulbuslinie für Mittelschüler nach Markt Indersdorf würde 57 000 Euro kosten, die Fahrten mit dem MVV seien mit 11 000 Euro viel günstiger. Nach den Protesten in Röhrmoos vom Sommer habe der Schulverband gemeinsam mit dem Landratsamt geprüft, ob Mittelschüler mit den Schulbussen des Landkreises fahren können. Über eine finanzielle Beteiligung sei man sich einig gewesen, sagt Kreitmeir. "Doch in der Praxis funktioniert das nicht." Denn an Realschulen und Gymnasium in Markt Indersdorf endet der Nachmittagsunterricht 45 Minuten früher als in den Ganztagsklassen der Mittelschule. "Dass täglich am Nachmittag die Mehrzahl der Schüler wegen einiger weniger Mittelschüler so lange wartet, das geht nicht", erklärt dazu Kreisschulexperte Albert Herbst. Eine kombinierte Lösung wäre denkbar gewesen, erklärt Herbst: Morgens und am Freitagmittag gemeinsamer Transport, für die übrigen Heimfahrten von Montag bis Donnerstag ein separater Bus mit späterer Abfahrtszeit für die Mittelschüler. Doch diese Variante haben die Verantwortlichen nicht gewählt. "Der Schulverband hat entschieden, dass wir dann komplett beim öffentlichen Nahverkehr bleiben", erklärt Kreitmeir.

Die betroffenen Familien haben dafür kein Verständnis. "Ärgerlich" findet Doris Kowalczuk, "dass zwischen den Schülern so unterschieden wird". Auch CSU-Gemeinderat Florian Zigldrum fordert ein erneutes Nachdenken. Bei derart langen Fahrzeiten könne man sich ja sonst Ganztagsklassen bald sparen: "Unsere Kinder sind dann betreut im MVV."

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Quelle:
SZ vom 30.10.2012
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