Süddeutsche Zeitung

Haimhausen:Bayernwerke mischen sich in Stromtrassenstreit ein

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Auch das bayerische Unternehmen will nun eine 110-Kilovolt-Leitung durch Haimhausen und Hebertshausen legen. Um die von Tennet geplanten Masten nutzen zu können, plädieren die Bayernwerke für die "Südtrasse". Die Gemeinderäte begrüßen das

Von Horst Kramer, Haimhausen

Die 380-Kilovolt-Stromtrasse ist schon seit Monaten ein Aufreger im östlichen Landkreis Dachau. Der Netzbetreiber Tennet will sie quer über die Gemeindegebiete Haimhausen und Hebertshausen legen. Eine Haimhauser Bürgerinitiative spricht nur noch von der "Monstertrasse", denn die Leitung soll auf Strommasten angebracht werden, die bis zu 85 Meter hoch sein werden. Die Bürger sind alarmiert wegen des Tennet-Vorhabens. Als wäre das nicht schon problematisch genug, meldeten sich jetzt auch noch die Bayernwerke im Haimhauser Rathaus. Sie wollen ebenfalls ein Stromkabel verlegen. "Das traf mich wie ein Schlag von Mike Tyson", sagt Bürgermeister Peter Felbermeier (CSU). Noch mehr Leitungen, noch mehr zusätzliche Strommasten und vor allem noch mehr Ärger, fürchtet er.

Doch nun sieht es so aus, als ob die beiden Unternehmen womöglich gemeinsam eine Trasse nutzen könnten, sich also eventuell verbünden. In der jüngsten Sitzung des Haimhauser Gemeinderats waren zwei Mitarbeiter der Bayernwerke, um den Kommunalpolitikern ihre Pläne vorzustellen.

Das bayerische Energieunternehmen muss sein 110-Kilovolt-Netz ausbauen und will dazu auch die Tennet-Masten nutzen. Es ist also für die Planungen der Bayernwerke entscheidend, wo die Masten aufgestellt werden sollen. "Die Nordvariante wäre für uns blöd", sagte der Bayernwerke-Manager Markus Schmitt. Eine Botschaft, die man in Haimhausen gerne vernahm, denn das trifft genau die Meinung der Bürgerinitiative. Auch Bürgermeister Felbermeier und die Gemeinderatsmitglieder sind gegen die Nordvariante. "Eine hochinteressante Nachricht", freute sich die Grünen-Gemeinderätin Sabrina Spallek hinterher.

Um noch einmal den bisherigen Stand der Dinge in Sachen Starkstromtrasse ins Gedächtnis zu rufen, hier ein kleiner Rückblick über das, was bisher geschah: Tennet hat von der Bundesregierung den Auftrag erhalten, das bundesweite Starkstromnetz zu renovieren und auszubauen. Eine der Maßnahmen ist die Erneuerung der Starkstromtrasse zwischen den großen Umspannwerken in Oberbachern bei Schwabhausen und Ottenhofen im Landkreis Erding. Alle Stromunternehmen sind bei derartigen Maßnahmen angehalten, die vorhandenen Leitungskorridore zu nutzen und am besten auch die bestehenden Strommasten. Das ergibt sich schon aus Kostengründen so.

Doch manchmal geht das nicht. Etwa, wenn die neuen Masten zu hoch und zu schwer für den bisherigen Untergrund sind. Dann müssen die Unternehmen neu planen. Deshalb hat Tennet auf dem Gemeindegebiet von Haimhausen inzwischen zwei Varianten erarbeitet, wie man die Leitung verlegen könnte: Infrage kommt demnach die sogenannte "Nordtrasse", bei der die Masten zwischen Haimhausen und Inhausen aufgestellt werden. Als Alternative gibt es auch die sogenannte "Südtrasse", deren Route zwischen Inhausen und dem Inhauser Moos verläuft. Hier gibt es wiederum zwei Optionen, die zur Diskussion stehen: Ein Streckenverlauf über "Mooswiesen Nord" oder eben "Mooswiesen Süd".

Die Bürgerinitiative macht unter anderem optische und Naturschutzgründe gegen die Nordtrasse geltend. Felbermeier hat die entwicklungspolitischen Folgen im Visier: "Haimhausen kann nur nach Süden wachsen. Wenn dort die Masten der Nordtrasse stehen, ist es um unsere Zukunft geschehen", sagt er. Deshalb wirkten er und ein großer Teil des Gemeinderats so hoch erfreut, als der Bayernwerke-Manager Schmitt seine Opposition gegen die Nordtrasse ausdrückte. Allerdings - das machten Schmitt und sein Kollege Christian Herzig klar - ist ihre Einflussmöglichkeit auf die Tennet-Planungen nur äußerst gering. Das liege an der unterschiedlichen Zuständigkeit der Konzerne. Während Tennet für die "Stromautobahnen" verantwortlich ist, wie Schmitt erläuterte, sind die Bayernwerke sozusagen für die "Strombundesstraßen" und "Stromstaatsstraßen" zuständig.

Was die Sache besonders schwierig macht: Beide Seiten wussten bis vor wenigen Wochen noch gar nichts von den Projekten des anderen. Schmitt berichtete von einer Bedarfsstudie, die zu Jahresanfang abgeschlossen wurde und deren Auswertung bis zum Sommer dauerte. Erst im August habe man von den Tennet-Planungen erfahren, so Schmitt. Eigentlich kein Problem, denn die Bayernwerke wollen ihre Vorhaben bis spätestens 2025 abgeschlossen haben, Tennet geht indes erst von 2028 an in die Realisierung des Vorhabens.

Der Teufel steckt aber auch hier im Detail: Die Aufgabe der Bayernwerke ist es, das Umspannwerk in Unterschleißheim auszubauen, die Stromleitungen von dort nach Freising zu erneuern und dabei die Kapazitäten zu erhöhen sowie neue Stromverbindungen nach Garching zu knüpfen. Dort sollen mehrere Rechenzentren entstehen, die einen erheblichen Energiebedarf haben. Schon bisher werden die 110-Kilovolt- und 220-Kilovolt-Freileitungen der Bayernwerke auf den Masten mit den 380-Kilovolt-Trassen mitgeführt. Gegenwärtig verknüpft eine 110-Kilovolt-Leitung (mit der Bezeichnung J 193) das Unterschleißheimer Umspannwerk mit der großen Starkstromtrasse (namens B 109), die nördlich vom Inhauser Moos parallel zum Massovkanal verläuft.

Sollte nun diese B 109 als "Nordtrasse" rund einen Kilometer nach Norden rutschen, müssten die Bayernwerke mit der J 193 nachziehen. Mit einem Leitungsverlauf in unmittelbarer Nähe des Weilers Inhausen, für den zumindest ein zusätzlicher Mast aufgestellt werden müsste. "Wir müssen ja irgendwie dahin", meinte Schmitt.

Sollte hingegen Tennet die "Südtrasse" für die neue B 109 wählen (die Variante "Mooswiesen Süd"), dann schrumpft der Zuleitungsweg für die Bayernwerke beträchtlich. "Ist die J 193 dann obsolet?", fragte der CSU-Fraktionsvorsitzende Thomas Mittermair. Schmitts lapidare Antwort: "Ja." Ein klarer Vorteil für die Inhausener und für die Bayernwerke.

Felbermeier lobte Schmitt und Herzig: "Es spricht für Sie, dass Sie so früh zu uns gekommen sind und mit offenen Karten spielen." In Richtung seines Gremiums meinte der Rathauschef: "Es ist enorm wichtig, dass wir selber planen." Für die anwesende Öffentlichkeit setzte er hinzu: "Einen Knockout für die Gemeinde Haimhausen darf es nicht geben."

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Quelle:
SZ vom 29.10.2020
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