Süddeutsche Zeitung

Asylhelfer wenden sich gegen drohende Abschiebung:Zum Warten verdammt

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Vor acht Jahren kamen Martin O. und Mohamed G. nach Deutschland. Inzwischen sind die beiden Flüchtlinge bestens in Hebertshausen integriert. Jetzt droht ihnen die Abschiebung, auch wegen fehlender Papiere. Asylhelfer Peter Barth will für die beiden kämpfen "bis zum Äußersten"

Von Christiane Bracht, Hebertshausen

Die Angst steht ihnen ins Gesicht geschrieben. Es ist ein Hoffen und Bangen. Werden sie abgeschoben oder dürfen sie vielleicht doch noch bleiben? Martin O. und Mohamed G. kamen vor etwa acht Jahren nach Deutschland. Inzwischen sind die beiden Flüchtlinge laut Asylhelfer Peter Barth aus Hebertshausen gut integriert. Bis vor kurzem arbeiteten sie noch. Doch das Ausländeramt hat ihnen nun die Arbeitserlaubnis entzogen. Martin O. musste sogar seinen Pass abgeben, statt dessen bekam er eine Grenzübertrittsbescheinigung, die jetzt bis Ende April gilt. Der Nigerianer steht kurz vor der Abschiebung, Mohamed G. ebenfalls. Barth, der sich für beide sehr einsetzt, ist der Verzweiflung nahe. Er kämpft Tag und Nacht dafür, dass die beiden vielleicht doch noch bleiben dürfen. Inzwischen hat er für beide die Härtefallkommission angerufen.

Doch alle Bitten um eine befristete Duldung und eine Arbeitserlaubnis für Martin O. bis zum Urteil der Härtefallkommission seien abgewiesen worden, klagt Barth. Sogar der Arbeitgeber von Martin O. habe sich an das Landratsamt gewandt, doch ohne Erfolg. Es könnte sein, dass der Nigerianer das Urteil der Härtefallkommission gar nicht mehr hören wird, denn das Ausländeramt in Dachau habe signalisiert, dass man Martin O. jeden Tag abschieben könne, erklärt der Asylhelfer. Doch Landrat Stefan Löwl (CSU) beschwichtigt: "Eine unmittelbare Abschiebung ist mir in keinem der beiden Fälle bekannt." Allerdings betont er auch, dass er nicht über jeden Einzelfall unterrichtet werde. "Wenn die Härtefallkommission den Fall angenommen hat, warten wir normalerweise auf das Ergebnis", sagt er weiter. Für eine weitere Stellungnahme war das Landratsamt am Donnerstag nicht erreichbar.

"Ich sehe die Schicksale", sagt Barth: Martin O. sitzt nun in seinem Zimmer in der Asylunterkunft, er darf nichts tun außer warten. Er hat kein Geld zum Leben, keine Krankenversicherung - nichts. "Er ist gar nicht reisefähig", sagt Barth. Denn der Nigerianer ist psychisch krank aufgrund der traumatisierenden Erlebnisse in seiner Heimat. Bisher ist er deshalb in Deutschland in Behandlung gewesen. In seiner Heimat würde er keine Hilfe bekommen. Derzeit kümmere er sich um Gutachten, die das beweisen, sagt Barth. Denn es gilt, die Untersuchung eines Amtsarztes anzufechten. Eine Rechtsanwältin hat der Asylhelfer bereits engagiert. Die Kosten für das bisherige Verfahren von mehr als 3000 Euro habe er nur mit Spendengeldern finanzieren können, so Barth.

Im Fall von Mohammed G. sei die Sache "noch aussichtsloser", schreibt er in einem offenen Brief. Der Mann aus Sierra Leone hat nämlich keinen Pass. Trotz intensiven Bemühens seitens des Asylhelferkreises, der Caritas und des Ausländeramts gebe es keine Chance auf ein gültiges Dokument. Das Problem: Mohammed G. war laut Barth ein Straßenjunge. Mit zehn Jahren sei er bereits auf sich gestellt gewesen, Vater und Schwester seien im Bürgerkrieg ermordet worden, die Mutter habe in ein Flüchtlingscamp in einem Nachbarland fliehen können. Kein Verwandter sei mehr in Sierra Leone. Er könne nirgendwohin zurück. Mohamed G. schlug sich durch, kam schließlich nach Deutschland. Eine Zeitlang arbeitete er auf dem Bauhof von Hebertshausen, dann war er bei der Firma Wurm in Unterweilbach angestellt. "Aber er ist kein gelernter Rohrleitungsbauer, sodass die Botschaft in Sierra Leone ihm auch kein Arbeitsvisum ausstellen würde", erklärt Barth. Und ohne Pass scheint es in Deutschland für den jungen Mann keine Zukunft zu geben. Ausreisen könne Mohamed G. aber auch nicht ohne Pass.

Barth sah es als Teil der Integration an, den Mann aus Sierra Leone aus der Asylunterkunft herauszuholen. Mit anderen vom Helferkreis richteten sie ein altes Haus ohne Heizung her. Mohamed G. half. Er bekam eine Sondererlaubnis dort zu wohnen. Jetzt hat ihm das Landratsamt ein Ultimatum gestellt: Innerhalb von drei Monaten müsse er in die Gemeinschaftsunterkunft zurückziehen, heißt es in dem Bescheid. "Die Miete für den nächsten Monat kann er sowieso nicht mehr bezahlen", sagt Barth. Denn auch Mohamed G. verdient kein Geld mehr und bekommt auch keins. Er brauchte eine kostspielige Zahnbehandlung. Die Asylhelfer wollen dafür nun Geld sammeln. Ob die Härtefallkommission Mohamed G. akzeptiert, ist noch offen.

Für Barth ist es immer noch unbegreiflich, warum die Ausländerbehörde so hart durchgegriffen hat. Ende dieses Monats hätten beide nach einem neuen Gesetz wegen ihrer guten Integration und ihrem langen Aufenthalt in Deutschland ein Bleiberecht erhalten, sagt der Hebertshausener. Das Landratsamt hat sich auf Anfrage der SZ dazu noch nicht geäußert. Obwohl die Sache gerade gar nicht gut steht, legt er immer noch großen Wert darauf, dass Martin O. weiterhin den Deutschkurs besucht. "Ich würde für die beiden bis zum Äußersten gehen", sagt Barth.

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Quelle:
SZ vom 16.04.2021
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