Süddeutsche Zeitung

Finanzpolitik im Landkreis Dachau:Die Kommunen rebellieren

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Bund und Freistaat bürden Städten und Gemeinden immer mehr Aufgaben auf. Nun will auch der Landkreis den Hebesatz kräftig erhöhen. Die Bürgermeister üben massive Kritik und fordern eine Reform des Finanzierungssystems

Von Robert Stocker, Dachau

Die Finanzplanung des Landkreises stößt auf massiven Widerstand der Gemeinden. Um die Investitionen in den Bau von zwei neuen Gymnasien und in den öffentlichen Nahverkehr stemmen zu können, sollen die Kommunen im nächsten Jahr stärker zur Kasse gebeten werden. Der Landkreis will deshalb den Hebesatz für die Kreisumlage von 47 auf 48 Prozentpunkte erhöhen. Die Gemeinden würden dadurch nicht unangemessen hoch belastet, so die Landkreisverwaltung. Das sehen einige Bürgermeister völlig anders. Die Kommunen könnten kaum mehr einen ausgeglichenen Haushalt aufstellen, klagte Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU), der auch Sprecher der Rathauschefs im Landkreis ist. Der Landkreis müsse seine Ausgaben reduzieren. "Sonst fahren wir die Gemeinden an die Wand."

Das Steueraufkommen im Landkreis Dachau wird 2020 um knapp neun Millionen Euro auf etwa 200,5 Millionen Euro steigen, so die Prognose des Statistischen Landesamts. Bei einem Hebesatz von 48 Prozent müssten die Gemeinden gut 96 Millionen Euro an den Landkreis zahlen. Das sind sechs Millionen Euro mehr als im vergangenen Jahr. Doch auch die Ausgaben des Landkreises steigen. Das gilt besonders für das Personal, bei dem die "München-Zulage" und Tariferhöhungen zu Buche schlagen. Im Verwaltungshaushalt 2020 sind dafür Kosten von mehr als 27 Millionen Euro vorgesehen. Die soziale Sicherung, zu der die Jugendhilfe, Hartz IV und der Asylbereich gehören, kostet 49,5 Millionen Euro. Die Ausgaben für die Jugendhilfe sind von zwölf Millionen Euro im Jahr 2011 auf knapp 23 Millionen Euro im Jahr 2019 gestiegen. "60 Prozent der Landkreisausgaben fließen in den sozialen Bereich", betonte Landrat Stefan Löwl (CSU) im Kreisausschuss. Die Ausgaben würden vom Bund vorgegeben, der Landkreis habe darauf keinen Einfluss. Trotz der höheren Belastungen sei ein solider Abgleich des Verwaltungshaushalts mit einem Hebesatz von 48 Prozent möglich, erklärte Kreiskämmerer Michael Mair. Dennoch müsse der Landkreis neue Schulden in Höhe von 13,3 Millionen Euro aufnehmen. Das Geld wird für den Bau der beiden neuen Gymnasien und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs benötigt. 0,5 Prozent des höheren Hebesatzes sind für den Schulneubau, die andere Hälfte ist für einen besseren Nahverkehr vorgesehen.

Die Bürgermeister sehen die Erhöhung des Hebesatzes auf 48 Prozentpunkte sehr kritisch, sagte deren Sprecher, Stefan Kolbe. Er sei sich nicht sicher, ob sie der Erhöhung zustimmen könnten. Man müsse darüber diskutieren, ob der Landkreis stark genug in die Verschuldung gehe. Der Bürgermeistersprecher erinnerte daran, dass die Einnahmen der Gemeinden wegen der geringeren Beteiligung an der Einkommensteuer ohnehin sinken würden. Er hätte gern eine Aufstellung der freiwilligen Leistungen, die der Landkreis übernimmt. Manche müssten eben gestrichen werden. "Das gesamte System funktioniert nicht mehr", kritisierte Kolbe. Er forderte die Verwaltung auf, den Hebesatz nur um einen halben Punkt auf 47,5 Prozent zu erhöhen.

"Der Freistaat muss aufwachen"

Der Dachauer Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) schlug in dieselbe Kerbe. Die Regierung von Oberbayern hatte dem Landkreis eine "sehr solide" Haushaltslage für das Jahr 2019 attestiert. "Sehr solide" sei diese in seinen Augen nicht. Bund und Freistaat bürdeten den Kommunen immer mehr Aufgaben auf, die Gemeinden würden alleingelassen. "Wir brauchen eine Änderung des gesamten Systems." Durch das höhere Steueraufkommen sei die Kreisumlage der Gemeinden absolut gestiegen - trotz eines geringeren Hebesatzes. "Einige Gemeinden haben das Problem, dass sie die Mindestzuführung an den Vermögenshaushalt nicht mehr hinbekommen", sagte Hartmann. Der Landkreis wolle auf Kosten der Kommunen sparen. Fairer sei es, wenn der Landkreis für seine Investitionen höhere Schulden aufnähme. Der Landkreis habe kein Geld angespart, konterte Löwl. "Pflichtaufgaben wie die Finanzierung der Jugendhilfe machen uns kaputt."

"Wir müssen dem Freistaat sagen, dass wir kein Geld mehr haben", betonte Vierkirchens Bürgermeister Harald Dirlenbach (SPD). "Der Freistaat muss aufwachen, dass es so nicht mehr weitergeht", stellte auch Florian Hartmann fest. Für Sebastian Leiß (Freie Wähler Dachau) war die finanzielle Entwicklung von vornherein klar. Viele fragwürdige Projekte seien im Kreistag genehmigt worden. "Die Bürgermeister stimmen hier zu, doch in ihrer Gemeinde kritisieren sie die Finanzpolitik."Für Steffi Burgmaier (CSU) stellt sich die Frage, ob die dauerhafte Leistungsfähigkeit bei einem Hebesatz von 47,5 Prozent gesichert sei. Mit knapper Mehrheit stimmte der Kreisausschuss dafür, im Haushaltsentwurf 2020 einen Hebesatz von 48 Prozentpunkten vorzusehen.

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Quelle:
SZ vom 09.12.2019
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