Süddeutsche Zeitung

Dachauer Museumsforum:"Wir stehen an einer kritischen Marke"

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Das Dachauer Museumsforum gilt als Jahrhundertprojekt. Nun wackelt bereits wenige Wochen nach Amtsantritt der Gründungsdirektorin das finanzielle Fundament, weil mehrere Kreistagsfraktionen die Mittel für den Zweckverband massiv kürzen wollen.

Von Gregor Schiegl, Dachau

Eine Pariser Zeitung berichtet im Jahr 1859 über eine 23-Jährige, die ihr Korsett angeblich so eng geschnürt haben soll, dass sie darüber zu Tode kam; die Leber sei von drei Rippen durchbohrt worden. Ähnlich dramatisch stellen sich nun auch die Aussichten für den Zweckverband Dachauer Galerien und Museen dar. Ein "Sparkorsett" hatte der Dachauer Landrat Stefan Löwl (CSU) dem Kreishalt verordnet. CSU, Freie Wähler, SPD und Grüne legten in einem Eilantrag jüngst ihre Ideen dazu vor. In einem Bereich möchten sie das Gewand besonders brutal zuschnüren: in der Kultur. Statt mehr als zwei Millionen Euro für fünf Jahre soll der Landkreis für den Zweckverband Dachauer Galerien und Museen künftig nur mehr 600 000 Euro aufbringen, eine Kürzung um 70 Prozent.

"Einsparpotenziale sind kaum noch vorhanden", teilt der Zweckverbandsvorsitzende, Dachaus Oberbürgermeister Florian Hartmann dazu auf Anfrage der SZ mit. "Bereits die vergangenen Haushalte waren auf Kante genäht." Allein die Beibehaltung des Status quo würde die angespannte Lage verschärfen. Alles wird teurer, auch der laufende Museumsbetrieb: 2022 lagen die Ausgaben laut Hartmann bei 1,26 Millionen Euro, 2023 bei 1,34 Millionen Euro.

Der konzertierte Sparvorschlag der Kreisräte fällt in eine Zeit, in der die veraltete Dachauer Museumslandschaft grundlegend modernisiert und neu geordnet werden soll. In den denkmalgeschützten Hallen der MD-Papierfabrik plant der Zweckverband ein Museumsforum, dem auch ein in der Region bislang einzigartiges Arbeiter- und Industriemuseum angegliedert werden soll. Erst vor wenigen Monaten wurde der Zweckverband um den Bezirk Oberbayern erweitert, er steuert speziell für dieses Leuchtturmprojekt 600 000 Euro bei.

An dieser Summe orientieren sich nun auch viele Kreisräte. Warum Millionen zahlen, wenn die anderen Träger viel weniger geben? Für Nina Möllers, Gründungsdirektorin des Museumsforums, ist das keine gute Nachricht. Erst vor vier Wochen hat sie ihre Arbeit aufgenommen, im Glauben an einen breiten politischen Rückhalt. "Ich habe mir meinen Start etwas anders vorgestellt", räumt die 47-jährige Museumsexpertin ein. Für sie heißt es jetzt gleich zum Anfang Kämpfen. Oder, wie sie es sachlich formuliert, "Zusammenhänge erklären".

Erst einmal steht eine aufwändige Bestandsaufnahme an

Dass in Zeiten knapper Mittel darüber diskutiert werde, wie man mit dem Geld umgehe, finde sie grundsätzlich "legitim und nachvollziehbar". Aber dass so schnell nach der politischen Weichenstellung für das neue Museumsforum die Finanzierungsgrundlage schon wieder infrage gestellt wird, verwundert sie doch. "Wie passt das zusammen? Was hat sich seit dem Beschluss Grundlegendes verändert?"

In einer Phase des Umbruchs muss der Zweckverband deutlich mehr leisten als bisher, das kostet Geld. "Für ein überzeugendes Konzept müssen die Sammlungsbestände des Zweckverbands nicht nur gepflegt und bewahrt, sondern museologisch besser erfasst und beforscht werden", schreibt Zweckverbandsvorsitzender Florian Hartmann. Für Nina Möllers ist dies die Voraussetzung, um überhaupt ein stimmiges Gesamtkonzept entwickeln zu können. "Man muss danach auch die Möglichkeit haben, etwas auszuprobieren und zu evaluieren", sagt sie. "Sonst tappen wir im Dunkeln."

Gefördert wird nur, wer selbst kräftig investiert

Finanzielle Spielräume sieht sie nicht mehr. "Wir stehen an einer kritischen Marke", sagt sie. Mit massiven Einschnitten werde die Umsetzung des Museumsforums "sehr schwierig" werden. Einigen Kreisräten sei offenbar gar nicht bewusst, dass ein rigider Sparkurs eine "gefährliche Abwärtsentwicklung" für das Jahrhundertprojekt in Gang setzen könnte. Übrigens auch finanziell.

Das auf insgesamt 27 Millionen Euro angelegte Projekt soll nicht nur über Beiträge der drei Zweckverbandsmitglieder, sondern auch über staatliche Zuschüsse und EU-Fördertöpfe finanziert werden. Diese Drittmittel zu generieren, sieht Möllers als eine ihrer Kernaufgaben an. Doch dieses Geld gibt es nur für Projekte, die mit einem gewissen Eigenanteil finanziert werden. Sei dieser nicht mehr gewährleistet, wären nach ihrer Schätzung 90 Prozent der Fördermittel verloren. Hinzu kommt, dass Einsparungen zwangsläufig auch zu Einschnitten im Programm führten - jenem Teil des Museumsbetriebs also, der Geld in die öffentlichen Kassen spüle. Möllers hofft, dass die Sparpläne nun eine Grundsatzdebatte in der Dachauer Kommunalpolitik anstoßen: Wie viel soll, kann und muss Kultur kosten? Aus ihrer Sicht hätte Dachau die Chance, für vergleichsweise wenig Geld "sehr viel Kultur und sehr viel Museum" zu bekommen.

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