Süddeutsche Zeitung

Mitten in Dachau:Die Frauen müssen bluten

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Männer leben billiger. Sie brauchen zum Beispiel keine speziellen Hygieneartikel. Zum Weltmenstruationstag stellt die Dachauer Abgeordnete Beate Walter-Rosenheimer Forderungen, die für mehr Gleichberechtigung sorgen sollen.

Glosse von Alexandra Vettori, Dachau

Es gibt den Welttag des Radios, den Weltbienen- und sogar den Welttoilettentag. Und es gibt seit 2014 den Tag der Menstruationshygiene, der an diesem Samstag begangen wird. Keine Angst, es wird jetzt nicht die Kraft des dunklen Mondes beschworen und es folgen auch keine Klagen über menstruelle Tabus, auch wenn die sogar in "aufgeklärteren" Gesellschaften durchaus noch angebracht wären. Und nein, es geht auch nicht darum, ob, wie in Spanien gerade heiß diskutiert, aus den "Tagen" nicht "freie Tage" werden sollten.

Doch der Gedenktag stellt ja nicht das spannende Thema Menstruation in den Mittelpunkt, sondern die damit einhergehende Hygienefrage. Während unsere Großmütter noch auf Stofflappen angewiesen waren, wenn "Tante Rosa zu Besuch war", greift die junge Frau von heute zu Menstruationstasse oder super-saugfähiger Periodenunterwäsche. Nachhaltigkeit hat die längst überholte Frage früherer Frauengenerationen "Tampon oder Binde?" verdrängt.

"Ein Mann mit Bart kann alles machen. Eine blutende Frau ohne Hygieneartikel eben nicht."

Das Grundproblem bleibt freilich auch bei der nachhaltigen Regel: Sie kostet Geld. Viel Geld im Laufe eines Frauenlebens. Hochrechnungen schwanken zwischen 7000 und mehr als 20 000 Euro. Hier hakt auch Beate Walter-Rosenheimer ein, Bundestagsabgeordnete der Grünen für den Dachauer Wahlkreis und damit auch für 167 000 Frauen. Sie zitiert zum Welttag einen Bericht, wonach 23 Prozent der Frauen und Mädchen die Ausgaben für die Periode als Belastung empfinden. Und weil das ungerecht ist, fordert sie Hilfe vom Staat.

Auf Zurufe aus der Männer-Ecke antwortet die Abgeordnete auch gleich: "Nein, das ist nicht mit dem Rasieren bei Männern vergleichbar. Ein Mann mit Bart kann alles machen. Eine blutende Frau ohne Hygieneartikel eben nicht." Ihr Vorschlag: kostenlose Tampons und Binden in Schulen, Unis und öffentlichen Räumen. Man könnte auch nochmal an der Steuerschraube drehen, was Deutschland nach entsprechendem Druck 2020 schon tat: Da senkte man die Mehrwertsteuer auf Monatshygieneartikel von 19 auf sieben Prozent. Die Forderung nach null Prozent steht noch im Raum.

Der neueste Trend könnte nun aber ohnehin die Wende bringen: "Free Bleeding"; da lässt die Menstruierende das Blut gezielt ins Klo fließen statt es aufzufangen. Frau braucht aber wohl ein wenig Übung dafür. Bis dahin hat Free Bleeding durchaus das Zeug für eine recht wirkungsvolle neue Protestform.

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