Süddeutsche Zeitung

Dachau:OB mit ungewöhnlichem Outfit im Stadtrat

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Rathauschef Florian Hartmann (SPD) hat eine Wette verloren und hält eine Sitzung in Feuerwehr-Schutzausrüstung.

Von Thomas Radlmaier, Dachau

Sitzungen des Dachauer Stadtrates beginnen immer gleich: Oberbürgermeister Florian Hartmann (SPD) sagt: "Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Bürger, liebe Pressevertreter. Dann darf ich Sie recht herzlich zur Sitzung des Dachauer Stadtrates begrüßen." Diese Worte spricht Hartmann auch bei der 25. Gremiumssitzung am Dienstagabend um kurz nach 18 Uhr ins Mikrofon. So weit, so Routine. Und doch ist dies heute für den OB ein, nun ja, Spezialeinsatz.

Schon als Hartmann wenige Minuten zuvor den Saal zügigen Schrittes betritt, brandet Applaus auf. Der OB, der sich bei solchen Terminen normalweise in Anzug und Krawatte zeigt, trägt an diesem Abend eine Schutzausrüstung der Feuerwehr.

Der Floriansjünger spricht von einer "sehr erfolgreichen Aktion"

Grund zur Panik besteht zu diesem Zeitpunkt nicht: Das Rathaus steht nicht in Flammen, auch wenn es verdächtig danach riecht. Der Brandgeruch stammt aber von einem Buffett, das im Foyer aufgebaut ist und wo die Faschingsgesellschaft Dachau später noch auftreten wird.

Vielmehr hat Hartmann eine Wette gegen die Freiwillige Feuerwehr Dachau verloren. Im Rahmen einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne hatte er im vergangenen Jahr seine Hand dafür ins Feuer gelegt, dass die Feuerwehr es nicht schaffen würde, 22 neue Frauen und Männer für den aktiven Dienst zu gewinnen. Andernfalls würde er drei offizielle Termine in Feuerwehr-Schutzausrüstung absolvieren. Die 22 Ehrenamtlichen waren schnell gefunden. Da die Feuerwehr am Ende sogar 44 neue Mitglieder aufnehmen konnte, organisiert sie im Frühjahr ein Ramadama. Den ersten Teil seiner Wettschulden löst Hartmann am Dienstagabend ein, zwei weitere Termine in Feuerwehrmontur folgen. Der Floriansjünger spricht von einer "sehr erfolgreichen Aktion". Letztlich habe niemand eine Wette verloren, sagt er. "Wir als Stadt profitieren alle davon, weil wir neue Kameradinnen und Kameraden dazu bekommen haben."

Politische Störfeuer müssen bekämpft werden

Im gut beheizten Saal steht die Luft, da kann einem schon ohne Feuerwehrschutz der Schweiß runterlaufen. Und gezündelt wird in dem Gremium sowieso. Hartmann leitet zum üblichen Programm über. Er gratuliert CSU-Fraktionschef Florian Schiller nachträglich zu dessen 40. Geburtstag. Die Christsozialen um Jubilar Schiller legen gerne politische Störfeuer, um den OB in Bedrängnis zu bringen. Am Ende seiner kurzen Rede mahnt Schiller, im Stadtrat besser zusammenzuarbeiten. Ein Seitenhieb auf das Lager bestehend aus OB, SPD, Grüne und Bündnis, die Entscheidungen im Stadtrat mit ihrer knappen Mehrheit oftmals durchdrücken, statt einen breiten Konsens zu suchen. Hartmann überreicht Schiller einen Geschenkkorb, beide stellen sich vor einer Kamera auf. "Das Foto hat Seltenheitswert, das wird es so schnell nicht mehr geben", sagt er zu Schiller. Beide grinsen.

Die ersten beiden Punkte auf der Tagesordnung sind schnell erledigt und politisch unumstritten. Dafür melden sich unter Punkt "Verschiedenes öffentlich" mehrere Stadträte zu Wort. Es geht um Desinfektionsmittelspender in öffentlichen Gebäuden, fehlende Sitzmöglichkeiten an der Bushaltestelle gegenüber dem Rathaus und das Ferienprogramm. Hartmann sagt: "So viele Wortmeldungen gab es noch nie. Die Kollegen wollen mich ein bisschen ins Schwitzen bringen."

Doch die letzte Wortmeldung an diesem Abend von Berkay Kengeroglu ist alles andere als witzig. Der SPD-Stadtrat sagt, dass die Feuerwehruniform an diesem Tag ganz gut passe. Schließlich seien in der Türkei und Syrien aufgrund des Erdbebens derzeit zahlreiche Rettungskräfte im Einsatz. Auch Teile seiner Familie in der Türkei seien unter den Trümmern verschüttet. Er habe bislang keine Mitteilung von seinen Verwandten erhalten. Kengeroglu ruft im Stadtrat zur Schweigeminute auf. Alle erheben sich. Stille erfüllt den Saal.

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