Süddeutsche Zeitung

Unternehmen in Dachau:"Es wird wieder aufwärtsgehen"

Lesezeit: 3 min

Normalerweise läuft die Bewerbungsphase für Ausbildungsplätze im Mai auf Hochtouren. Wäre da nicht Corona. Vorstellungsgespräche sind nicht möglich. Die Betriebe sind dennoch optimistisch.

Von Julia Putzger, Dachau

In vielen Betrieben wächst mit jedem Tag, der bis zum Ausbildungsstart im Herbst vergeht, die Sorge, keinen Nachwuchs zu finden. Normalerweise ist der Bewerbungsprozess um einen Ausbildungsplatz im Mai in vollem Gange. Doch heuer ist wegen der Corona-Krise kaum etwas so, wie es in den Jahren zuvor selbstverständlich war. Für zukünftige Auszubildende und potenzielle Lehrherren heißt das konkret: persönliche Vorstellungsgespräche - Fehlanzeige. Schnupperpraktika - bis auf Weiteres leider nicht möglich. Teilweise finden die Bewerbungen zwar digital oder mit entsprechenden Schutzmaßnahmen statt, doch "sehr viele laufen gar nicht und verschieben das mit der Hoffnung auf baldige Veränderung. Sie spielen auf Zeit", weiß Harald Brandmaier von der Arbeitsagentur Freising. Die Betriebe wollten sich die Chance auf den "klassischen Weg der persönlichen Vorstellung" so lange wie möglich bewahren. Außerdem vermutet Brandmaier, dass viele derjenigen, die im Herbst eine Ausbildung starten wollen, derzeit noch "viele andere Baustellen haben" und sich deshalb noch nicht um eine Bewerbung gekümmert haben.

Mit Stand April sind der Arbeitsagentur Freising im Landkreis Dachau 431 Ausbildungsplätze gemeldet - im Vergleich zum Vorjahr sind das 50 Stellen weniger. Für mehr als die Hälfte der Plätze hat sich bisher noch kein passender Auszubildender gefunden. Dass es heuer zu einem verstärkten Lehrlingsmangel kommen könnte, glauben die Experten aber derzeit nicht. Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs könnte sich sogar vorstellen, dass zumindest die handwerklichen Berufe - unter dem Dach der Kreishandwerkerschaft sind die Bäcker-, Friseur-, Metall-, Metzger- und Schreinerinnung vereint - gestärkt aus der Krise hervorgehen: "Jetzt hat sich wieder gezeigt, dass das Handwerk krisenunabhängiger ist." Das könne jedoch nicht pauschal gelten, sondern sei sehr abhängig davon, um welchen Beruf es konkret gehe.

"Die Ausbildungsbetriebe unternehmen alles, um ihre Azubis und Fachkräfte weiterzubeschäftigen"

Dass Betriebe durch die Corona-Krise zu sehr ins Schleudern gekommen sind und keine Ausbildungen mehr anbieten können, weisen die Experten zurück. Da es in den vergangenen Jahren stets mehr Lehrstellen als Auszubildende gab und die Betriebe weiterhin qualifizierte Nachwuchskräfte benötigen, werde der Ausbildungsmarkt in Bayern stabil bleiben, erklärt Peter Fink, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Dachau. "Die Unternehmen wissen, dass es mit der Wirtschaft auch wieder aufwärtsgehen wird. Die Ausbildungsbetriebe planen deshalb sehr vorausschauend und unternehmen alles, um ihre Azubis und Fachkräfte weiterzubeschäftigen", so Fink weiter.

Harald Brandmaier von der Arbeitsagentur bestätigt, dass bisher noch kein Betrieb eine Ausbildungszusage zurückgezogen habe. "Im Moment spricht vieles dafür, dass sich die Lage bei den Ausbildungen nicht signifikant verändert. Bisher ist kein solcher Trend erkennbar", sagt der Berufsberater. Fink, Brandmaier und Dachs sind sich aber einig, dass es für fundierte Aussagen noch zu früh ist, da bisher noch keine konkreten Zahlen erhoben wurden. Die IHK hat deshalb nun eine Umfrage in Auftrag gegeben, die den Status quo in den Unternehmen abfragen soll.

Brandmaier ist in der Arbeitsagentur Teamleiter für den Bereich Berufsberatung vor dem Erwerbsleben, doch auch diese Beratungen können derzeit nur telefonisch stattfinden. Das funktioniere jedoch recht gut, sagt er. Jugendlichen, die sich beraten lassen wollen, gibt er den Tipp, sich nicht an die allgemeinen Hotlines zu wenden, sondern per E-Mail ihre Kontaktdaten durchzugeben. Die Berufsberater können dann schneller zurückrufen.

Eine wichtige Orientierungsveranstaltung, sowohl für Ausbildungsinteressierte als auch Ausbilder, war stets die Jobmesse. Bedingt durch die Corona-Pandemie musste sie heuer jedoch abgesagt werden. Peter Fink bedauert das sehr, denn die Jobmesse sei eine "Messlatte" gewesen, an der sich sonst ungefähr gezeigt habe, wie hoch das Ausbildungsinteresse in einem Jahr sei. Nun sei man "sehr blank", denn Zahlen und Daten gebe es aktuell noch keine. "Zum Stand der Bewerbungen können wir derzeit noch keine Aussage treffen", heißt es diesbezüglich von der IHK.

"Ich sehe nicht schwarz für die Berufsausbildung"

Für diejenigen, die sich derzeit schon in Ausbildung befinden, änderte sich zwar einiges im eigentlich vorgesehenen Ablauf. Wie an allen anderen Schulen war der Präsenzbetrieb vorübergehend eingestellt worden und wird nun langsam wieder hochgefahren. Beeinträchtigt sei die Ausbildung dadurch aber nicht, beschwichtigt Johannes Sommerer, Schulleiter der Staatlichen Berufsschule in Dachau. Da die Prüfungen terminlich nach hinten verschoben wurden und dieses Jahr keine Ausflugsfahrten am Ende des Schuljahres stattfinden könnten, bleibe eigentlich gleich viel Unterrichtszeit für die Prüfungsvorbereitung.

Kreishandwerksmeister Ulrich Dachs erklärt, dass die Fehlzeiten in der Schule in den Ausbildungsbetrieben kompensiert wurden. Bezüglich der aktuellen Bewerbungen möchte Schulleiter Sommerer zwar noch keine konkreten Zahlen oder Tendenzen nennen, er fasst jedoch zusammen: "Ich sehe nicht schwarz für die Berufsausbildung - sondern eher das Gegenteil."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4911842
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.05.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.