Süddeutsche Zeitung

SZ-Kulturpreis Tassilo:Haus der Begegnung

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Die Alte Schule Lauterbach ist ein Kultur- und Bürgertreff, den es fast nicht gegeben hätte: Das historische Gebäude sollte zwischenzeitlich einem modernen Multifunktionsgebäude weichen. Heute ist die Einrichtung eine kulturelle Institution.

Von Dorothea Friedrich, Bergkirchen

Gerade waren die Kabarettisten Sebastian Schlagenhaufer und Ramon Bessel da. Demnächst treten Rudi Zapf und Zapf'nstreich auf. Zwischendurch heißt es beim "Nadeltreff": Handarbeit verbindet. Jeden Montagabend gibt es "Rambazamba" mit der gleichnamigen Tanzgruppe, Jugendtreff und Spielgruppe sind hier zu Hause, Jahreskreisfeste können sich auf viele Besucher freuen, auch die Volkshochschule nutzt die Räume regelmäßig. Die Alte Schule Lauterbach ist ein echtes Haus der Begegnung, ein Kultur- und Bürgertreff, den es fast nicht gegeben hätte. In der zu Bergkirchen gehörenden Gemeinde Lauterbach mit ihren knapp 1000 Einwohnern sollte vor etlichen Jahren die alte Schule einem modernen Multifunktionsgebäude weichen. In dem sanierungsbedürftigen Haus hatten von 1906 bis in die Siebzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts die Dorfkinder lesen, schreiben und rechnen gelernt. Da war es für Claudia Streicher ein Ding der Unmöglichkeit, das Schulhaus der Abrissbirne zu überlassen. "Die Schule muss bleiben." Das war ihr Ziel.

Sie suchte und fand Mitstreiterinnen und Mitstreiter, erarbeitete ein Konzept für ein Kultur- und Bürgerhaus, verhandelte über Zuschüsse. Eine turbulente Bürgerversammlung brachte nach unzähligen Gesprächen 2012 die Entscheidung. Die Schule bleibt, wird zu einem Haus für Kinder, Jugendliche, Senioren und Kultur. Das Konzept überzeugte. Gleich 58 Teilnehmende der Bürgerversammlung wurden Mitglieder des Fördervereins "Alte Schule Lauterbach", mit Claudia Fleischer als Vorsitzende.

"Wir haben mit unserem Enthusiasmus die Handwerker angesteckt."

Möglicherweise ahnten sie nicht, was in den kommenden Jahren auf sie zukommen sollte. Während in der neuen Sporthalle schon trainiert wurde, schufteten die Ehrenamtlichen Wochenende für Wochenende, legten Bodenschicht um Bodenschicht frei, transportierten Unmengen von Schutt, klagten über "verrenkte Hüften, malträtierte Knie und sandgestrahlte Brillen, wie Gabriele Oswald erzählt, die ebenso wie Maler Heinz Eder von Anfang an dabei war - und ließen sich nie entmutigen. "Im Gegenteil, wir haben mit unserem Enthusiasmus die Handwerker angesteckt", erinnert sich Claudia Fleischer. Wie viele Stunden die Alte-Schule-Enthusiasten geschuftet haben, wissen sie gar nicht genau. "Bei 7000 haben wir aufgehört zu zählen", sagt Claudia Fleischer. Und erinnert sich dankbar an die Unterstützung der Mitglieder des Seniorentreffs, die nicht nur regelmäßig für Verpflegung sorgten, sondern auch tatkräftig mithalfen.

Und heute? Hat auch die Alte Schule Lauterbach immer noch mit den Corona-Folgen zu kämpfen. "Wir mussten sogar drei Veranstaltungen absagen, weil nicht genügend Karten verkauft worden sind", sagt Fleischer. Dabei ist die Alte Schule inzwischen in Künstlerkreisen ein begehrter Auftrittsort. Gleich mehrere Anfragen gehen wöchentlich ein. Was nicht zuletzt am speziellen Betreuungskonzept der ehrenamtlich arbeitenden Frauen und Männer liegt. "Unsere Köchin Gisela Demin ruft sogar bei den Künstlern an und fragt, was sie essen wollen", erzählt Fleischer.

Die Snacks sind längst legendär

Auch das Publikum kann sich auf eine gelungene Verbindung von Kunst und Kulinarik freuen. Die Snacks sind mittlerweile legendär. Diese Einnahmen seien für die Finanzierung des laufenden Betriebs wichtig, sagt die Fördervereinsvorsitzende. Das Haus ist zwar Eigentum der Gemeinde, doch der Verein muss einen Teil der Nebenkosten zahlen. Und die generieren sich aus Mitgliedsbeiträgen und Veranstaltungserlösen.

Aber wie hat der Förderverein die Schließungen und Beschränkungen während der Corona-Pandemie verkraftet? "Es war ein Plus-Minus-Null-Geschäft", sagt Claudia Fleischer. "Aber wir sind kostengünstig und gut geblieben." Das gilt auch für die Zukunft, denn die Kultur ist und bleibt ein Hauptanliegen der engagierten Frauen und Männer. Auf dem Programm stehen heuer neben bekannten Namen aus der Jazz- Blues-, Folk- Rock- und Liedermacherszene auch die "Lautermusiker". Mehrmals im Jahr lädt Sängerin Alegría Mannhardt befreundete Musiker zu einer Session unter einem bestimmten Motto ein - und rockt die Alte Schule mit "girls, girls, girls" oder "hinaus aufs Meer". Organisiert werden die teils aufwendigen Konzerte von einem gut eingespielten Team.

"Bei uns weiß jeder, wo's langgeht, aber wir wünschen uns dringend junge Leute, die mit neuen Ideen bei uns einsteigen", sagt Fördervereinsvorsitzende Fleischer. Gut möglich, dass bei diesem Kulturangebot einige Zuschauer auch hinter den Kulissen mitmachen wollen.

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