Süddeutsche Zeitung

Fasching:Einhörner in der Ausländerbehörde

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In der Dachauer Ausländerbehörde geht es um existenzielle Fragen. In der Faschingszeit erscheinen die Sachbearbeiterinnen und Mitarbeiter trotzdem in lustigen Verkleidungen. Das ist erlaubt. Nur: Ist es angemessen?

Von Leonard Scharfenberg, Dachau

Wer in der Warteschlange vor dem Landratsamt Dachau steht, hat meistens einen Termin in der Ausländerbehörde des Landkreises. Fast alle anderen Behörden des Hauses haben mittlerweile, sprich seit dem Ende der Pandemie, wieder Wartebereiche im Inneren. Draußen stehen also Menschen, die um ihre Arbeitserlaubnis bangen; die wissen wollen, ob sie ihre Familie aus Kriegsgebieten nachholen dürfen oder die täglich um ihre Abschiebung fürchten.

Am vergangenen Freitag wurden diese Menschen von zwei Einhörnern begrüßt. Denn in der Faschingszeit sei es im Landratsamt üblich und erlaubt sich "angemessen" und "dezent" zu verkleiden. Ina Engelen hat dafür kein Verständnis. Die 42-Jährige Erzieherin aus Karlsfeld hatte am Freitag eine Bekannte aus Nigeria ins Amt begleitet. "Ich finde das nicht in Ordnung, in einer Behörde, in der so existenzielle Sachen entschieden werden." Hier Faschingskleidung zu tragen, sei "nicht angemessen", ja, gar "respektlos".

Nachdem Engelen und ihrer Bekannten die zwei Sachbearbeiterinnen im Einhornkostüm begegnet seien, wurden sie zum Termin hereingebeten. Die Besprechung, bei der es um den Aufenthaltstitel der Nigerianerin ging, habe dann eine als Minnie-Maus verkleidete Mitarbeiterin geführt. Für Engelen sind die Verkleidungen nur die Spitze des Eisbergs: Der Umgangston in der Behörde sei sowieso "alles andere als empathisch". Die Faschingsaktion würde aber noch einmal ganz klar zeigen, dass es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern egal sei, wie es den Menschen geht, die in ihre Behörde kommen.

Sina Török, Sprecherin des Landratsamtes, widerspricht. Die Kleiderwahl habe schließlich keinen Einfluss auf die "Ausübung des Amtes". Es gebe keine generelle Kleiderordnung in der Behörde. Die Erfahrung zeige aber, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich entsprechend kleiden würden und sich ihrer "Außenwirkung" bewusst seien. Zwischen dem sogenannten Unsinnigem Donnerstag und Rosenmontag würde aber eine Ausnahme gemacht.

"Ich will doch auch keinem Richter im Einhornkostüm gegenüber stehen", entgegnet Engelen. Schließlich hätten die Sachbearbeiterinnen viel Entscheidungsgewalt über das Leben von Menschen. Engelen habe früher in der Jugendhilfe gearbeitet, kenne also einige Ausländerbehörden von innen. Eine gewisse Empathielosigkeit gehöre fast überall dazu, doch die Dachauer Behörde sei trotzdem eine besondere. Engelen erinnert sich zum Beispiel an an einen Fall, bei dem ein Mensch gedrängt wurde, Formulare über seine freiwillige Rückführung zu unterschreiben, ohne die deutschen Papiere zu verstehen. Engelens Mann ist ebenfalls aus Nigeria. Sie war bereits häufig mit ihm und ihrer Tochter in der Behörde. "Es macht für den Arbeitsprozess und den Umgangston einen riesigen Unterschied, ob ich als weiße deutsche Frau daneben sitze, oder nicht", erzählt sie.

Eine Kleiderordnung haben auch andere Ausländerbehörden nicht. Das Münchner Kreisverwaltungsreferat beispielsweise, dem die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt unterstellt ist, schreibt auf Anfrage, Verkleidungen seien nicht generell verboten, sie müssten nur "amtsangemessen" sein. Am Telefon versichert ein Sprecher dagegen: "Das macht hier niemand."

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