Süddeutsche Zeitung

Auf Tournee:Glockenreine Stimmen

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Der weltberühmte Sankt Petersburger Knabenchor beschert dem Publikum in der Hebertshausener Kirche Zum Allerheiligsten Erlöser ein außergewöhnliches Klangerlebnis in der Adventszeit. Gesungen werden aber nicht nur geistliche Lieder

Von Sonja Siegmund, Hebertshausen

Was für die deutschen Freunde des Chorgesangs die Regensburger Domspatzen sind, dürfte für Russland der weltberühmte Sankt Petersburger Knabenchor sein: ein außergewöhnliches Klangerlebnis in der Adventszeit, das noch lange in Erinnerung bleiben wird. Einen solch beeindruckenden Konzertabend erlebten die Besucher am dritten Sonntag im Advent in der nahezu vollbesetzten Pfarrkirche Allerheiligster Welterlöser in Hebertshausen. Dem Kulturkreis Röhrmoos ist das Gastspiel dieses gefeierten Knabenchores zu verdanken, der auf seiner alljährlichen Konzerttournee in der Vorweihnachtszeit erstmals im Dachauer Land aufgetreten ist.

Der Einmarsch des Knabenchores in das Hebertshausener Gotteshaus mit leuchtenden Kerzen in den Händen wurde vom begeistertem Klatschen der Besucher begleitet. Jüngere wie fast erwachsene Sänger trugen schlichte schwarze T-Shirts mit einheitlichen Schriftzügen und weißen Kragen. Es dirigierte Wadim Ptscholkin, der die Gäste in deutscher Sprache begrüßte und zudem als Ansager fungierte. Das Konzertprogramm "Die Engel bringen gute Kunde" beinhaltet weltliche und geistige Musikwerke unterschiedlicher Richtungen wie auch Volkslieder in mehreren Sprachen, die oft mehrstimmig erklingen. Zum Auftakt präsentierte der 40-köpfige Knabenchor a cappella geistliche Lieder aus seiner Heimat wie "Lobet den Namen des Herrn" und "Das letzte Abendmahl" in Russisch gesungen.

Dabei versetzten die Chorsänger das Publikum mit glockenreinen Sopranstimmen in andächtiges Staunen. Glasklar und ausdrucksstark, einmal fast wie gehaucht, dann wieder mit großer Stimmgewalt und trotzdem mit einer spielerischen Leichtigkeit zelebrierten die überwiegend noch sehr jungen Sänger einen außergewöhnlichen Chorgesang. So präsentierte der Knabenchor mit liturgischen Werken ("Credo", "Vater unser") von Peter Tschaikowsky stimmungsvolle geistliche Musikstücke. Aus Russland ging die musikalische Reise in das Italien der Barockzeit. Bewegend wurde Alessandro Scarlattis "Exultate Deo" interpretiert ebenso Felix Mendelssohn Bartholdys "Richte mich Gott" in lateinischer Sprache. Franz Schuberts "Ave Maria" dirigierte der Chorleiter einfühlsam aus der Mitte des Kirchenschiffes heraus. Seine Chorsänger erzeugten währenddessen durch besondere Klangfarben, indem sich die verschiedenen Stimmlagen im gesamten Altarraum verteilten. Auch zeitgenössische Werke hat der Knabenchor in seinem Repertoire: Branko Starks "Plaudite manibus" ist voller Energie, die Sänger begleiteten es klatschend und stampfend.

Die Wurzeln von Knabenchören sind bis in das Früh- und Hochmittelalter zurückzuführen. Insbesondere in Gotteshäusern, wo weiblicher Gesang noch bis ins 19. Jahrhundert verboten war, wurden Jungen eingesetzt. Bis heute sind Knabenchöre nach alter Tradition der Kirchenmusik verbunden. Der Sankt Petersburger Knabenchor, der größte Russlands, wurde 1992 als Sozialprojekt von Wadim Ptscholkin gegründet, der noch immer die Chorleitung innehat. Die Chorschule besuchen derzeit etwa 400 Kinder und Jugendliche im Alter von fünf bis 18 Jahren. Der mehr als hundert Personen umfassende Konzertchor absolviert jährlich rund 50 Auftritte in Moskau, Sankt Petersburg und anderen russischen Städten sowie im Ausland.

In diesen Kontext passten auch die Grußworte von Michael Wockenfuß, dem rührigen Vorsitzenden des Röhrmooser Kulturkreises. Er berichtete den Zuhörern, nicht ohne Stolz in der Stimme, dass der Knabenchor zuletzt einen großen Auftritt in der Hamburger Elbphilharmonie hatte, bevor er in den Landkreis Dachau gereist ist. Danach ginge es zu einem Auftritt nach Speyer in den Kaiserdom und anschließend nach Frankreich. Wockenfuß dankte dem Knabenchor und seinem Leiter für den großartigen Auftritt und wünschte zum Weihnachtsfest Frieden und viel Gesundheit für alle.

Im zweiten Konzertteil in der Hebertshausener Kirche präsentierten die russischen Chorsänger Weihnachts- und Volkslieder aus aller Welt. In "O Fortuna" aus Carl Orffs Kantate "Carmina Burana" setzte sich Wadim Ptscholkin an das E-Piano, so dass eine weitere Klangebene entstand. Kraftvoll präsentierte sich der Knabenchor auch bei dem unter die Haut gehenden "Gefangenenchor" aus Verdis "Nabucco". Von tiefer Innerlichkeit waren die alte russische Volksweise "Im dunklen Wald" und ein zeitgenössisches deutsches Lied "Glocken der Heimat". Der Chor beschloss sein vom ersten bis zum letzten Augenblick beeindruckendes Konzert mit Händels "Hallelujah" aus dem "Messias". Die Gassenhauser-Zugabe "The Lion sleeps tonight" geriet noch einmal zum lautmalerischen und komödiantischen Feuerwerk. Stehende Ovationen des begeisterten Publikums waren die wohlverdiente Anerkennung für dieses außergewöhnliche Weihnachtskonzert.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2018
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