Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Dachau:31-Jähriger klaut mit gestohlenen Kennzeichen Benzin

Lesezeit: 3 min

Vor dem Amtsgericht gesteht der in Dachau lebende Mann seine Taten und wird zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Ob man dem Angeklagten nun, wie der Staatsanwalt, ein "hohes Maß an krimineller Energie" unterstellt oder doch eher eine "dilettantische Begehungsweise" wie sein Verteidiger, das liegt wohl im Auge des Betrachters. Fest steht am Ende der Verhandlung vor dem Dachauer Amtsgericht am Dienstagmorgen aber eines: Die 31-jährige Reinigungskraft hat Ende 2021 zwei Kfz-Kennzeichen geklaut, diese jeweils an das eigene Auto montiert und damit insgesamt vier Mal Benzin an unterschiedlichen Tankstellen gestohlen. Zudem hat er am 11. Oktober des vergangenen Jahres versucht, eine Glühbirne und mehrere Kabel aus einem Dachauer Baumarkt zu stehlen. Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Christian Calame verurteilt den in Dachau lebenden Mann daher zu einem Jahr und neun Monaten, die Strafe ist auf vier Jahre Bewährung ausgesetzt.

Im Zeitraum von September bis November 2021 soll der 31-Jährige laut Anklageschrift in Dachau zwei Kennzeichen gestohlen und mit den beiden an sein eigenes Auto angeschraubten Kennzeichen insgesamt vier Tankstellen angefahren haben, drei davon im Landkreis Dachau, eine im Nachbarlandkreis Aichach-Friedberg. Jedes Mal hat er dort getankt, jedes Mal etwa um die 100 Euro. Sein Gesicht, das ist auf den Überwachungskameras zu sehen, ist dabei stets von einer FFP2-Maske verdeckt. Allerdings ist sein Pkw, der am Radlauf eine auffällige Delle aufweist, gut erkennbar auf den Aufnahmen der Überwachungskameras, die dem Gericht als Screenshots vorliegen. Die Taten - Diebstahl in Tateinheit mit Urkundenfälschung - zu leugnen wäre laut der Staatsanwaltschaft daher wohl ohnehin zwecklos gewesen.

Bei dem Baumarktdiebstahl führt der Angeklagte ein Taschenmesser mit sich

Bei dem Versuch, im Obi-Baumarkt mehrere Gegenstände mitgehen zu lassen, ist der Angeklagte wiederum von einem Ladendetektiv erwischt worden. Fraglich bleibt bis zuletzt nur, ob es sich bei der Tat um einen bewaffneten Diebstahl gehandelt hat. Denn: Der Angeklagte bestreitet nicht, dass er an dem Tag ein Taschenmesser bei sich geführt hat. Dies hatte er damals auf Nachfrage auch den hinzugerufenen Polizisten gesagt. Allerdings beteuert er, nie die Absicht gehabt zu haben, dieses zum Einsatz zu bringen. Er sei viel unterwegs, das Messer habe er zum Brotzeit machen bei sich geführt. Seit der Tat lasse er es aber lieber zuhause.

Richter Calame sagt später in der Urteilsverkündung, dass er dem Angeklagten glaubt, dass dieser das Messer nicht zum Einsatz bringen wollte. Allerdings reiche im Falle des Mitführens einer Waffe das "Grundbewusstsein" darüber, dass man einen gefährlichen Gegenstand bei sich führe, die "Verwendungsabsicht" sei nicht allein entscheidend. Jenes Bewusstsein sieht das Gericht als gegeben an, immerhin habe der 31-Jährige auf die Frage der Polizisten nach ebensolchen Gegenstanden sehr schnell das Taschenmesser erwähnt.

Auf die Frage Richter Calames, wie der Angeklagte überhaupt auf die Idee gekommen sei, Benzin zu stehlen, erklärt der Mann, es seien "schwierige Zeiten" gewesen: Von seiner Noch-Ehefrau habe er sich damals gerade getrennt, dadurch sei er aus der gemeinsamen Wohnung geflogen und von seinem ohnehin mickrigen Gehalt aus einem Mini-Job habe seine Ex noch einen Teil gefordert. Um trotzdem von seiner Pension in Markt Indersdorf zur Arbeit nach Dachau zu kommen habe er keinen anderen Ausweg gesehen, als die Tankfüllungen einfach nicht zu bezahlen. Auf die Frage, warum er die ausstehenden Beträge bis heute nicht beglichen habe, sagt der Angeklagte, dass er sich für seine Taten schäme. Das Geld habe er aber dabei, um die Schulden nun zu begleichen. Weil die Tankstellenbesitzer nicht als Zeugen geladen waren, will der Angeklagte im Anschluss an das Verfahren bei ihnen vorbeifahren, um ihnen das Geld auszuhändigen. Den Warenwert von 50 Euro inklusive einer Strafzahlung von 100 Euro hat er bereits an den Baumarkt bezahlt.

Noch ein Fehltritt und der Angeklagte landet im Gefängnis

Trotz seines gleich zu Beginn eingeräumten Geständnisses fordert die Staatsanwaltschaft eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Zur Bewährung sei diese nicht mehr auszusetzen, denn der Angeklagte sei einschlägig vorbestraft: 2016 habe er schon einmal mit geklauten Kennzeichen Benzin an Tankstellen gestohlen. Die ihm damals aufgebrummte Bewährungsstrafe habe aber offensichtlich "keine Wirkung gezeigt". Eine günstige Sozialprognose sei somit nicht gestellt werden.

Dem widerspricht die Verteidigung: Zwar sei es richtig, dass sein Mandant einschlägig vorbestraft sei, gleichwohl müsse man aber die Umstände, unter denen er die Taten begangen habe, berücksichtigen. Zudem könne man nicht von einem hohen Maß an krimineller Energie sprechen, wenn der Angeklagte noch einmal so vorgehe wie beim ersten Mal - wohlwissend, dass man ihm schon damals schnell auf die Schliche gekommen ist. Auch sei der Schaden mit rund 500 Euro "nicht ganz gering, aber überschaubar". Dass der Angeklagte seit kurzem eine eigene Wohnung und eine Vollzeitstelle habe, müsse ebenso positiv gewertet werden, wie dass er Unterhalt für seine achtjährige Tochter zahle. Der Verteidiger fordert daher, die Strafe noch einmal zur Bewährung auszusetzen.

Diese Ansicht teilt letztlich auch das Schöffengericht, ein "gewisser Wandel" sei bei dem Angeklagten erkennbar und so sei eine Bewährungsstrafe noch einmal möglich. Richter Calame mahnt aber auch: "Jetzt muss es klappen." Der Angeklagte dürfe sich nichts mehr zu Schulden kommen lassen, andernfalls sei eine Gefängnisstrafe unausweichlich. Zur Auflage macht das Gericht dem 31-Jährigen 100 Sozialstunden bei dem Verein Brücke e.V. Das Urteil ist rechtskräftig.

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