Süddeutsche Zeitung

Amtsgericht Dachau:Morddrohung im Gerichtssaal

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"Ich weiß schon, wie ich die loswerde, das habe ich vor ein, zwei Wochen hier gelernt": Nach den tödlichen Schüssen auf Staatsanwalt Tilman T. leistet sich ein Vermieter einen makaberen Auftritt im Amtsgericht Dachau.

Walter Gierlich

Zwei Wochen nachdem im Dachauer Amtsgericht der Staatsanwalt Tilman T. von dem Dachauer Transportunternehmer Rudolf U. erschossen worden ist, hat es im selben Gebäude in einem Zivilprozess eine makabere Morddrohung gegeben. Wie Amtsgerichtsdirektor Klaus Jürgen Sonnabend am Freitag mitteilte, wird geprüft, ob gegen einen Bauunternehmer aus dem nördlichen Landkreis, der die Drohung ausgesprochen hat, Strafantrag gestellt wird.

Sonnabend, der selbst am Mittwoch nicht mit der Zivilsache befasst war, die im selben Gebäude, aber nicht im selben Saal, verhandelt wurde, in dem es am 11. Januar den Mord gegeben hatte, will den Vorfall nicht allzu hoch hängen. Es sei in der Verhandlung um eine Mietstreitigkeit gegangen, konkret um den Termin für die Räumung einer Wohnung. Der Vermieter habe im Gerichtssaal deutlich hörbar über seine Mieterin gesagt: "Ich weiß schon, wie ich die loswerde, das habe ich vor ein, zwei Wochen hier gelernt, wie das geht."

Daraufhin habe die Richterin die Polizeibeamten der Dachauer Inspektion gerufen, die am Mittwoch - dem ersten Verhandlungstag nach dem Mord - im Hauptgebäude des Amtsgerichts deutlich Präsenz zeigten. Sogar ein Streifenwagen stand vor dem Eingang zum Gericht. Die Sitzung wurde laut Sonnabend für 20 bis 30 Minuten unterbrochen. "Danach ging es wieder vernünftig weiter", sagte der Amtsgerichtsdirektor der Süddeutschen Zeitung.

Der Bauunternehmer habe wieder an der Sitzung teilnehmen dürfen. Allerdings hat ihm Sonnabend ein Hausverbot für den Wiederholungsfall angedroht. Der Amtsgerichtsdirektor bezeichnete den Vermieter als Choleriker. "Eine Ausführung seiner Drohung stand wohl nie im Raum", glaubt er. Momentan könne der Mann durchaus noch ins Gericht kommen, etwa um Anträge abzugeben.

Ob Sonnabend einen Strafantrag stellen wird, hänge unter anderem davon, ob die bedrohte Mieterin in der Verhandlung überhaupt anwesend war. Das könne er erst klären, wenn die Richterin, die am Freitag nicht im Dienst war, wieder da sei. Er sei mit dem makaberen Vorfall in erster Linie deswegen an die Öffentlichkeit gegangen, um zu zeigen, dass man sich am Amtsgericht Dachau nicht mehr alles bieten lasse, betonte Sonnabend. Nach dem Mord an Staatsanwalt Tilman T. habe es stapelweise Schmähbriefe und beleidigende E-Mails gegeben. "Was meinen Sie, was hier an Post kommt? Es gibt offenbar einen großen Hass auf die Justiz", sagte der Amtsgerichtsdirektor.

Früher habe man vieles geschluckt, doch nach dem Mord wolle man das nicht mehr hinnehmen. "Ich greife jetzt durch, um den Gerichtsfrieden zu wahren", kündigte Sonnabend an. Der Protokollführer, der am 11. Januar in der Verhandlung Dienst hatte, in der Rudolf U. plötzlich eine Pistole zog und auf Staatsanwalt Tilman T. und Richter Lukas N. feuerte, wird nach Auskunft Sonnabends das Angebot seiner Vorgesetzten annehmen und das Gericht in Dachau verlassen. "Er will auch nicht mehr als Protokollführer arbeiten", sagte Sonnabend der SZ.

"Kollege N. wird wohl bleiben", sagte er. Der Richter habe in dieser Wochen bereits Sitzungen in Familiensachen gehalten. Nächste Woche werde N. sogar schon wieder in Strafprozessen verhandeln, kündigte der Amtsgerichtsdirektor an. Der Zeuge, der am 11. Januar, im Schlossrestaurant, nahe dem Gericht, am Nebentisch gesessen hatte, als Rudolf U. Drohungen gegen die Justiz ausgestoßen hatte, hat sich nach Auskunft des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord übrigens noch nicht gemeldet.

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SZ vom 28.01.2012
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