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SZ-Serie: Hinter den Masken:Die Ärztin für die Ärzte

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Bettina Rohrer ist verantwortlich für die Gesundheit der 7000 Mitarbeiter an der München-Klinik. Ein Job, der in Zeiten der Pandemie noch herausfordernder ist, als sonst.

Von Anna Hoben

Eigentlich, sagt Bettina Rohrer, machen ihr Team und sie das Gleiche wie sonst auch. Seit zwei Jahren leitet die 55-Jährige die Stabsstelle betriebsärztlicher Dienst in der München Klinik. Sie ist verantwortlich für die Gesundheit der 7000 Mitarbeiter am Arbeitsplatz - eine Aufgabe, die in einem Gesundheitsbetrieb ganz anders herausfordernd ist als in anderen Betrieben. Zumal in Zeiten einer Pandemie. Und so ist "das Gleiche wie sonst" dann doch: viel mehr als sonst. "Was wir zu tun haben, hat sich exponentiell gesteigert."

Zwölf Leute hat Rohrer normalerweise in ihrem Team, jetzt sind es 25. Sie hat kurzfristig Verstärkung bekommen, aus Bereichen, die gerade nicht so viel zu tun haben wie sonst. Die Neuen unterstützen jetzt bei der betriebsärztlichen Sprechstunde, mit Vorsorge, Beratungen und Impfungen. "Es geht ja im Krankenhaus immer viel um Infektionsschutz", sagt Rohrer.

Zu Beginn der Corona-Krise haben sie noch viele Grippeschutzimpfungen nachgeholt, "da war ja noch Influenza-Saison". Und sie testen die Mitarbeiter auf Corona. Wie sie die regelmäßigen Testungen etablieren, prüfen sie gerade, "das wird uns sicher noch eine ganze Weile begleiten". Um die Befunde zu verwalten, strickte die IT "in Windeseile" ein Tool. "Ich habe gestaunt, wie schnell so was gehen kann. Das kennt man sonst auch aus dem eigenen Unternehmen anders."

Ansonsten geht es jetzt viel um Hautgefährdung bei häufigem Händewaschen, Desinfizieren und Handschuhtragen. Sie beraten gesundheitlich eingeschränkte Mitarbeiter, beantworten Fragen zu persönlicher Schutzausrüstung und überlegen auch, was technisch möglich ist. Zum Beispiel, ob man nicht bei manchen Arbeitsplätzen eine Plexiglasscheibe installieren kann, wenn sich ein Abstand von anderthalb Metern nicht einhalten lässt.

Die Ansteckungsgefahr minimieren, das ist oberstes Gebot. Aber auch für die psychische Gesundheit ist Rohrers Kriseninterventionsteam mit zuständig. Die Sorgen der Mitarbeiter bezögen sich dabei weniger auf die eigene Gesundheit als vielmehr darauf, wie sie im Fall einer Ansteckung die Familie schützen können.

Eigentlich hat Bettina Rohrer einen 25-Stunden-Vertrag - sie wollte mehr Zeit haben, um sich um ihre Eltern zu kümmern. Dass sie zurzeit 60 Stunden pro Woche arbeitet, hat immerhin einen schönen Nebeneffekt: Sie hatte sich immer vorgenommen, wenigstens einmal im Monat ihren Bruder zu treffen, der nicht weit von der Schwabinger Klinik wohnt, wo ihr Hauptarbeitsplatz ist. Mittlerweile kocht er jeden Tag für sie mit und bringt ihr Mittagessen vorbei. Und so sieht sie ihn plötzlich fünf Mal pro Woche.

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Quelle:
SZ vom 30.04.2020
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