Süddeutsche Zeitung

Vergleich vor Gericht:Jérôme Boateng gewinnt im Makler-Prozess ein Unentschieden

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Von Stephan Handel, München

Dass Jérôme Boateng seine Berufung in den - vorläufigen - Kader zur Fußball-Weltmeisterschaft ohne größere Feierlichkeiten zur Kenntnis nahm, hatte zum einen sicherlich damit zu tun, dass sie nicht so wahnsinnig überraschend kam.

Zum anderen damit, dass er am Dienstagnachmittag etwas anderes zu tun hatte, wenn auch nicht unbedingt etwas besseres: Boateng musste in eigener Sache vor dem Oberlandesgericht erscheinen. Ein ehemaliger Freund und ehemaliger Geschäftspartner hat ihn auf 300 000 Euro verklagt, Provision für seine Mithilfe beim Kauf von Boatengs Haus in Grünwald vor zwei Jahren.

Vor dem Landgericht hatte der Makler recht bekommen: Nicht folgen wollte die Kammer dort Boatengs Argument, er habe gedacht, es handle sich um einen Freundschaftsdienst - man kannte sich aus dem Kindergarten, den die Sprösslinge der beiden jetzigen Streithähne besuchten. Gegen die Entscheidung des Landgerichts war Boateng in Berufung gegangen.

Der Fall ist rechtlich einigermaßen kompliziert, weil die Vereinbarung der beiden Männer kein schlichter Maklervertrag über Vermittlung und Verkauf einer Immobilie war; damit war ein anderes Maklerunternehmen beauftragt. Der jetzige Kläger sollte vielmehr mit dem Hausbesitzer in Verhandlungen treten, um den Kaufpreis zu reduzieren. 7,9 Millionen Euro war das erste Angebot, am Ende bezahlte der Fußballspieler 7,4 Millionen Euro.

Die übliche Gesetzeslage und Rechtsprechung über Maklerverträge konnte also schon mal nicht angewendet werden. Der Vermittler bestand darauf, eine Individual-Vereinbarung getroffen zu haben, nämlich auf 50 Prozent der von ihm erzielten Ersparnis. Zusammen mit der Umsatzsteuer kommt er dann auf diese 300 000 Euro.

Der OLG-Senat fand, bei dieser Quote müsse man ja wohl über die Sittenwidrigkeit der Vereinbarung diskutieren. Eine höchstrichterliche Rechtsprechung dazu gibt es nicht. In vergleichbaren Fällen wurde mal so, mal so geurteilt - dabei gingen aber die Ansichten über die Vergleichbarkeit mit dem Fall Boateng zwischen dem Gericht und Axel Anker, dem Kläger-Anwalt, schon gehörig auseinander.

Boateng sei nicht unbedarft, findet das Gericht

Anker meinte nämlich, eine Verwerflichkeit könne man seinem Mandanten zuallerletzt vorwerfen: Monatelang habe er ohne Vergütungsvereinbarung an der Sache gearbeitet, und erst als der Verkauf über die Bühne war, habe er Boateng einen Text zum Unterschreiben vorgelegt, was dieser auch ohne Murren getan habe.

Da stimmte das Gericht zu: Dass der hoch bezahlte Fußballprofi in Geldangelegenheiten keinesfalls so unbedarft sei wie ein üblicher Verbraucher, der unter dem besonderen Schutz des Gesetzes steht. Deshalb könne er sich auch nicht darauf berufen, dass er den vorgelegten Vertrag sozusagen "blind" unterschrieben habe - beziehungsweise: Wenn das so gewesen sei, dann sei er selber schuld.

Immerhin: Großen Aufklärungsbedarf sah das Gericht in der Frage, ob die vom Kläger erzielte Preisreduzierung nun 500 000 Euro betragen habe - oder ob er erst später einstieg, als der Hausbesitzer sowieso schon nur mehr 7,7 Millionen Euro haben wollte. Und: Große rechtliche Unsicherheit auf beiden Seiten - ob man nicht lieber über einen Vergleich reden wolle?

Nun begann ein großes Hinaus aus dem Gerichtssaal und wieder Hinein, mit großzügigen Angeboten und empörten Zurückweisungen, bis die beiden Kontrahenten sich offenbar selbst beredeten, ohne Anwälte. Die mussten dann nur noch kurz die Formalien klären, dann konnte der Vergleich diktiert werden: Boateng bezahlt 100 000 Euro und alles ist erledigt. Damit war die Verhandlung beendet, und Jérôme Boateng konnte die WM-Berufung feiern gehen. Obwohl die ja so überraschend nicht war für ihn.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2018
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