Süddeutsche Zeitung

Bildungsreferat:Eltern müssen 3,8 Millionen Euro Gebühren für Musikunterricht nachzahlen

Lesezeit: 3 min

Von Jakob Wetzel

Die Briefe werden einige Eltern überraschen. Von Montag an verschickt die Stadt Rechnungen an etwa 6800 Münchner Familien: Sie sollen für den Unterricht ihrer Kinder an der städtischen Sing- und Musikschule bezahlen. Und das ist keineswegs so selbstverständlich, wie es klingt. Denn der Unterricht kostet zwar offiziell Gebühren. Seit etwas mehr als zwei Jahren aber ist er scheinbar gratis.

Schon seit dem Schuljahr 2016/17 hat die Stadt keine Rechnung mehr gestellt, und manche Eltern haben insgeheim gehofft, dass es dabei bleibt. 3,8 Millionen Euro stehen insgesamt aus, bestätigt das für die Musikschule zuständige Bildungsreferat. Doch jetzt hat der vermeintliche Gratis-Unterricht ein Ende: In den nächsten Monaten müssen die Eltern sämtliche Gebühren nacherstatten.

Schuld an der Gebühren-Panne seien technische Probleme gewesen, erklärt das Bildungsreferat. Im April 2016 wurde demnach ein neues Computersystem eingeführt. Dieses sollte stabiler laufen und besser sein als das alte: Mit ihm sollte es möglich werden, Gebühren nicht mehr jährlich, sondern monatlich einzuziehen, und Eltern sollten ihre Kinder künftig online anmelden können. Tatsächlich aber sei das System oft abgestürzt, teilt das Referat mit. Darüber hinaus mussten alle Daten der Schüler neu eingegeben werden - und dafür ist offenbar zu wenig Personal abgestellt worden.

Ärgerlich war das anfangs vor allem für die Stadtkämmerei. Sie habe dem Bildungsreferat extra früher als geplant ihr elektronisches Rechnungsübermittlungssystem bereitgestellt, aber dann sei lange nichts passiert, sagt Stadtkämmerer Ernst Wolowicz. Dreimal habe er per Brief angemahnt, die Gebühren endlich einzuziehen, sagt er. Jedes Mal habe das Bildungsreferat sehr freundlich geantwortet, die Probleme würden behoben und die Rechnungen gingen bald zur Post.

Jetzt, zweieinhalb Jahre nach der Umstellung, ist es tatsächlich soweit. "Einen Schaden hat niemand", heißt es aus dem Bildungsreferat. "Die Stadt hat das Geld nicht verloren, die Eltern müssen es nur später bezahlen. Und für die Kinder hat sich dadurch nichts verändert." In den vergangenen beiden Jahren wurden demnach weder weniger Blockflöten oder Trompeten angeschafft als geplant, noch wurden weniger Stunden gegeben oder weniger Schüler angenommen. Auch die Musiklehrer bestätigen, sie hätten ihr Geld regulär erhalten. Seit 2016 wurden gar elf neue Lehrer eingestellt, denn die Gebühren der Musikschule sind im Vergleich zu privaten Anbietern niedrig, die Nachfrage ist hoch. Etwa 11 400 Kinder werden derzeit unterrichtet, etwa 1100 weitere stünden auf der Warteliste, teilt das Bildungsreferat mit. Für noch mehr Lehrer fehle derzeit das Geld.

Finanzielle Verluste seien für die Stadt aus der Verzögerung tatsächlich kaum entstanden, bestätigt Stadtkämmerer Wolowicz: "In guten Zeiten hätten wir die monatlichen Einnahmen ab 2016 gut verzinst anlegen können." Angesichts des niedrigen Zinsniveaus sei das aber nicht möglich, "da hält sich der Schaden für die Landeshauptstadt in Grenzen". Dafür müssten jetzt die Eltern nun gebündelt Gebühren nachzahlen, obwohl in der Musikschulsatzung von monatlichen Gebühren die Rede ist. "Und es ist nicht gut für das Ansehen der Stadtverwaltung", sagt Wolowicz.

Wie viel die Eltern nun zahlen müssen, hängt vom Unterricht ihrer Kinder ab. Im Schnitt sind pro Schüler etwas mehr als 330 Euro fällig. Die Gebühren bewegen sich zwischen jährlich 156 Euro im Jahr in der Grundstufe und 1200 Euro für Einzelunterricht inklusive Vorbereitung auf ein Musikstudium. Niemand müsse aber alles auf einmal bezahlen, versichert das Bildungsreferat. Die Stadt werde das Geld in Raten verlangen. Die ersten nachträglichen Gebührenbescheide werden demnach in der kommenden Woche verschickt, dann erst einmal für das erste noch nicht bezahlte Schuljahr 2016/17. Im Frühjahr 2019 will die Stadt dann Rechnungen für das folgende Schuljahr stellen, im Sommer wird das Geld für das aktuelle Schuljahr 2018/19 fällig. Danach sollen die Gebühren monatlich eingezogen werden, wie anfangs geplant. Für das Schuljahr 2019/20 soll es dann endlich möglich sein, Kinder online anzumelden.

Es ist nicht das erste Mal, dass das Bildungsreferat Probleme mit den Gebühren hat. Erst vor zweieinhalb Jahren wussten viele Eltern über Monate hinweg nicht, wie viel Geld sie für die Betreuung ihrer Kinder in städtischen Kitas bezahlen müssen. Andere mussten ebenso lange warten, bis ihnen die Stadt zu viel entrichtete Gebühren zurückerstattete. Eine Computerpanne gab es damals allerdings nicht. Der frühere Stadtschulrat Rainer Schweppe erklärte die Probleme mit Mehrarbeit wegen eines Kita-Streiks und fehlendem Personal.

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SZ vom 22.09.2018
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