Süddeutsche Zeitung

Bildung:Team Feuerdrache gewinnt

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Die Klenzeschule im Glockenbachviertel darf sich nun "Sport-Grundschule" nennen. Die Kinder lernen hier, wie sie sich ausreichend bewegen, gesund ernähren und sozial miteinander umgehen. Das alles geschieht spielerisch, etwa beim Merkparcours

Von Manuel Kronenberg

Aufgeregte Rufe und lautes Getrampel hallen durch den Flur der Grundschule an der Klenzestraße. Die Kinder der 1G flitzen wie wild durch die Gegend, brausen ins Klassenzimmer hinein, hinaus, dann wieder zurück. Gelbe und rote Karten liegen im gesamten Flur verteilt auf dem Boden. Die Schüler suchen nach bestimmten Nummern, die groß auf den Karten aufgedruckt sind. Ein schwarzhaariger Junge stürzt sich auf die Nummer 16, die neben einem Tischchen in der Ecke liegt. Er dreht das Blatt herum und prägt sich das Bild auf der Rückseite ein: eine Kaffeebohne. Hastig legt er das Blatt wieder zurück und rennt ins Klassenzimmer zu seinen Teamkollegen. Hier muss er Bericht erstatten, damit seine Mitstreiter die richtigen Nummern auf dem Lösungspapier eintragen können.

Zwei Dutzend Kinder der 1G haben vier Teams gebildet und treten im Merkparcours gegeneinander an. Der kleine Wettstreit ist Teil des "Fit4Future"-Workshops, den die Klenzeschule zusammen mit der Cleven-Stiftung anbietet. Neben dem Merkparcours gibt es noch weitere Stationen wie Tabu oder Becherstapeln. Insgesamt nehmen sechs Klassen der Grundschule teil. Sie sollen spielerisch und mit viel Bewegung ihre Gehirnfitness trainieren - das ist das Ziel des Workshops.

Es ist eine Aktion von vielen, die die Klenzeschule auszeichnen. Weil sie ihren Schülerinnen und Schülern die Themen gesunde Ernährung, Bewegung und Sport auf besondere Weise nahebringen, hat das Kultusministerium der Einrichtung in diesem Jahr das Profil "Sport-Grundschule" verliehen. Es ist das erste Jahr, in dem der Freistaat Grundschulen mit einem solchen Profil prämiert - gleich 70 Bildungsstätten in ganz Bayern haben die mit 1000 Euro dotierte Auszeichnung erhalten.

In München sind es noch drei weitere: die Grundschulen an der Lerchenauer Straße, am Ravensburger Ring sowie die St.-Anna-Grundschule. Mit der Verleihung sollen das Engagement und die Kreativität dieser Einrichtungen gewürdigt werden, wie ein Sprecher des Kultusministeriums erklärt. Dort werde nämlich viel geleistet, oft zusätzlich zum alltäglichen Schulbetrieb. Mit dem Profil könne dies auch nach außen sichtbar gemacht werden.

Dass die Grundschule im Glockenbachviertel die Auszeichnung erhalten habe, sei vor allem dem Einsatz seiner Lehrerinnen und Lehrer zu verdanken, sagt Martin Schmid. Der Rektor sitzt in seinem Büro und erzählt, was das Konzept der Klenzeschule so besonders macht. Pädagogen müssten heute immer mehr Erziehungsaufgaben übernehmen, für die eigentlich die Eltern zuständig seien, das gelte für alle Grundschulen. Dazu komme, dass in Zeiten der Digitalisierung und zunehmendem Leistungsdruck die Kinder immer seltener vor die Tür kämen, sagt Schmid.

Verschiedene Profile: Flexibel

Kinder entwickeln sich nicht alle gleich schnell, und nicht alle kommen sofort mit dem Schulalltag klar. Dem trägt das Modell der "Flexiblen Grundschule" Rechnung, das es zum Beispiel an der Grundschule an der Burmesterstraße (Foto) in Freimann, an der Bazeillestraße in Haidhausen und an der Walliser Straße in Fürstenried gibt. Dort und an gut 260 weiteren bayerischen Grundschulen können Kinder die ersten beiden Schuljahre in einem, zwei oder drei Jahren durchlaufen, je nach Begabung und Entwicklungsstand. Frontalunterricht gibt es in diesen Klassen kaum, oft bilden ein jüngeres und ein älteres Kind ein Lernteam. Die Kleinen rechnen in Mathematik etwa im Zahlenraum bis 20, die Großen schon bis 1000. Oder im Deutschunterricht: Die Kleinen üben Druckschrift, die Großen Schreibschrift.

Inklusiv

Schulen mit dem Profil Inklusion gibt es in den verschiedenen Schularten, im Grundschulbereich in München gehört dazu etwa die Grundschule an der Baierbrunner Straße (Foto). Diese knapp 360 Schulen unterstützen das gemeinsame Lernen von Schülerinnen und Schülern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf. Im Schuljahr 2018/2019 kamen im Freistaat neu 14 Grundschulen, elf Mittelschulen, vier Realschulen, ein Gymnasium und 14 berufliche Schulen aus dem Regelschulbereich sowie 14 Förderschulen, darunter 5 Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung hinzu. Zur Unterstützung der Inklusion stellt das Kultusministerium seit 2011 jedes Jahr zusätzliche 100 Lehrerstellen zur Verfügung. Im aktuellen Schuljahr sind es bereits 800 Stellen. So sollen alle Kinder angemessen gefördert werden.

Zweisprachig

Der Schulversuch "Lernen in zwei Sprachen - Bilinguale Grundschule" der Stiftung Bildungspakt Bayern und des Kultusministeriums läuft seit September 2015 und wird von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt wissenschaftlich begleitet. Vorläufige Evaluationsergebnisse und die bisherigen Erkenntnisse aus der bilingualen Schulpraxis sind vielversprechend. Der bilinguale Unterricht findet in den Fächern Heimat- und Sachunterricht, Mathematik, Kunst, Musik und Sport statt. Die Lehrkräfte entscheiden, welche Phasen des Unterrichts sie in englischer Sprache gestalten. Die unterrichtenden Lehrkräfte verfügen über eine entsprechende sprachliche Qualifikation. In München beteiligen sich die Grundschule an der Weißenseestraße (Foto), am Winthirplatz, an der Feldbergstraße und an der Waldmeisterstraße.

Genau hier setze die Klenzeschule an und fördert mit ihrem Konzept nicht nur Bewegung und gesunde Ernährung, sondern auch das soziale Miteinander sowie den Austausch zwischen den Jahrgangsstufen. Etwa beim Fußballturnier, das die Schülerinnen und Schüler selbst organisieren und bei dem sie die gemischten Mannschaften selbst zusammenstellen müssen. Oder beim "Klenze Downhill Cup", ein Skirennen, das in jedem Winter am Oedberg am Tegernsee stattfindet. Oder beim pädagogischen Kochen, an dem alle Klassen zweimal im Jahr teilnehmen, in Warenkunde unterrichtet werden und Produkte wie Marmeladen oder Soßen herstellen. Besonders schön finde Schmid den "Run for Help", bei dem die Kinder Runden in einem Parcours auf dem Schulhof drehen und pro Runde Spenden sammeln, um eine Schule im Libanon zu unterstützen.

Im Klassenzimmer nebenan, beim Merkparcours, schnappt sich eine Erstklässlerin das Lösungsblatt ihres Teams. Sie rennt zum Pult und stoppt die Zeit: Team "Feuerdrache" ist fertig. Knapp fünf Minuten haben sie gebraucht. Die Gegner von "Teamgeist" waren etwas schneller. Aber es sei egal, wer gewinnt, sagt das Mädchen. "Hauptsache es macht Spaß." Die Bewegung und der Ansporn durch den Wettstreit sollen die Kinder ermuntern - nicht nur heute. Jeden Tag soll ihnen gezeigt werden, wie wichtig Sport und Ernährung für die Gesundheit sind.

Das hat sich die Klenzeschule zur Aufgabe gemacht, schon seit einiger Zeit. Umso verwunderlicher ist da wohl für manch Außenstehende, was im vergangenen Jahr passierte: Im Sommer mussten die Bundesjugendspiele abgesagt werden, weil einige Lehrer fehlten. Zu viele seien krank gewesen, als dass man die Veranstaltung sicher und erfolgreich hätte stemmen können, sagt Schmid. Das sei einfach großes Pech gewesen. Er ist jedoch zuversichtlich, dass eine solche Situation nicht noch einmal eintritt.

Dass das Konzept der Grundschule insgesamt fruchtet, wird an diesem Vormittag beim "Fit4Future"-Workshop deutlich. Die Kinder der 1G haben inzwischen die Station gewechselt. In einem Zimmer im zweiten Stock spielen sie jetzt Tabu: Sie ziehen Kärtchen mit Begriffen, die sie den anderen erklären müssen, ohne das Wort selbst zu nennen. Einer der Erstklässler zieht eine Karte, auf dem der Begriff "Muskeln" geschrieben steht. Er wendet sich an sein Team und sagt: "Das bekommt man, wenn man Brokkoli isst."

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Quelle:
SZ vom 13.02.2019
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