Süddeutsche Zeitung

Gastronomie:Samba do Benediktbeuern

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Eineinhalb Jahre stand der Gasthof Post leer. Hans und Ermerson Pohl führten in Brasilien schon gemeinsam eine Strandbar. Nun haben sie das bayerische Wirtshaus übernommen

Von Petra Schneider, Benediktbeuern

Hans Pohl führt durch den renovierten Gasthof Post in Benediktbeuern: die "Gewölbestube" mit den handgeschmiedeten Lampen, die "Schützenstube", in der sich die Antlaßschützen zum Stammtisch treffen. Die "Schwemme" mit den floralen, blauen Wandmalereien, der "Blaue Saal", der neuerdings rote Gardinen hat. Herrgottswinkel, gedrechselte Tischbeine, Holzdecken - die Einrichtung ist im Wesentlichen geblieben, sie hätten nur rausgeschmissen, was ihnen zu üppig gewesen ist, sagen die neuen Pächter.

Die Neuen - das ist ein schwules Ehepaar, Ermerson und Hans Pohl, der eine Brasilianer, 27 Jahre alt, der andere gebürtiger Hesse, 52. Auch Ermersons Mutter Antonia Soares ist mit im Team, sie kümmert sich um die elf Gästezimmer. Es ist also ein Multikulti-Familienunternehmen, das die bayerische Traditionswirtschaft übernommen hat. Hans Pohl, der in München aufwuchs, ist gelernter Koch. Ermerson Pohl, ein schmaler, junger Mann, der über die Späße seines Partners viel lachen muss, hat eine Ausbildung zum Hotelfachmann gemacht. Er lebt seit 14 Jahren in Deutschland und ist in Holzkirchen zur Schule gegangen.

"Die Post, das ist jetzt mein Leben", sagt der 27-Jährige. Er sei am Ziel, "das habe ich mir immer gewünscht". Mit dem neuen Wirtsehepaar haben sich die Benediktbeurer schnell angefreundet. "Wir haben die Tür aufgesperrt - und der Laden war voll", erzählt Hans. Der Bürgermeister war schon da, die Vorsitzenden des Faschingsvereins Beira Maschkera - und für kommendes Wochenende ist jeder Platz reserviert.

In Benediktbeuern sind die neuen Wirtsleute nach einer längeren Reise angekommen: Zuvor waren sie Pächter im Jachenauer "Schützenhaus", aber nur gut ein Jahr. Das habe nicht so gepasst, sagt Hans Pohl knapp. Davor Brasilien, Fortaleza, die Heimat seines Mannes. "Wir wollten eigentlich nur Urlaub machen und sind hängen geblieben." Zwei Jahre haben sie dort eine Strandbar geführt. Dann wollten sie zurück nach Deutschland, wegen der Kriminalität in Brasilien. Nun also Benediktbeuern.

Die Post ist eine große Wirtschaft mit langer Tradition: Sie geht auf das Jahr 1517 zurück. Goethe machte auf seiner Italienreise 1786 dort Station. In den Stuben und der Schwemme, in der ehemals die Postkutschenpferde versorgt wurden, gibt es insgesamt 200 Plätze; im großen Saal, der noch umgebaut wird und erst im September fertig ist, 450 Plätze; im Biergarten an die 100. Auch in den elf Gästezimmern sei das "Einrichtungs-Mischmasch" nun behoben, sagt Hans Pohl. Die Zimmer haben nun durch einen modernen, reduzierten Stil: Eichenholzmöbel vom Schreiner, Holzfußboden, grauer Sessel und Gardinen. Auch in Nummer acht, dem Goethe-Zimmer. Vor dem Umbau sei das ein "Minus-Fünf-Sterne-Hotel" gewesen, sagt Ermerson Pohl, "jetzt drei plus, mindestens".

Ausnahmsweise haben die beiden Männer an diesem Nachmittag ihre Lederhosen im Schrank gelassen, aber normalerweise wird in der Post nur in Tracht gearbeitet. "Wir sind ein boarisches Lokal", sagt Hans Pohl in eckigem Bairisch. Sie würden sich durchaus Mühe mit dem lokalen Dialekt geben, "aber das ist schwierig", sagt Ermerson Pohl. Kulinarisch dagegen gibt es jedenfalls keine Probleme: Die Speisekarte ist traditionell bayerisch gehalten: Schweinebraten, Kaiserschmarrn, Cordon Bleu. Nudeln und Spätzle sind hausgemacht. Fleisch, Brot und Milchprodukte beziehen die Pohls von Produzenten aus dem Ort.

Geplant war die Eröffnung für Anfang Mai, weil sich die Renovierungsarbeiten aber so lange hingezogen haben, ist es der späte Juni geworden, bis es losgehen konnte. Ganz fertig ist der Umbau noch nicht: Oben beim Saal will das Tegernseer Brauhaus, Eigentümer der "Post", noch eine Bar einbauen. Dann soll es dort Cocktailabende geben, damit auch für die Jungen im Dorf etwas geboten ist. "Wir wollen Angebote für alle Altersgruppen machen", sagt Hans Pohl. Nächsten Sommer soll auch die beliebte Eisdiele neben dem Saaleingang wieder in Betrieb gehen. Auf die legendären Faschingsbälle im Postsaal freuen sich die neuen Pächter. "Fasching ist in meinem Blut", sagt Ermerson Pohl und lacht. Die beiden wünschen sich, dass die "Post" wieder das wird, was sie früher war: ein Mittelpunkt des Dorflebens.

Was allerdings fehlt, ist Personal. Aktuell arbeiten sechs Mitarbeiter in der Post. Es ist viel zu erledigen, aber Hans und Ermerson Pohl sind froh um das große Lokal, weil wegen Corona-Krise derzeit nur jeder zweite Tisch besetzt werden darf. Mit dem Brauhaus Tegernsee haben sie einen Fünf-Jahres-Vertrag mit Option für weitere fünf Jahre unterschrieben. "Ich möchte hier bleiben, bis ich in Rente gehe", sagt Hans Pohl. Und dann? Copacabana vielleicht, wer weiß.

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SZ vom 22.07.2020
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