Süddeutsche Zeitung

SZenario:Ein brandaktuelles feministisches Statement

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Drei bayerische Kabarettpreise gehen an Frauen. Aber Applaus bitte auch für den vierten Preisträger - "auch wenn es nur ein Mann ist".

Von Oliver Hochkeppel

Moderator Martin Frank im Smoking, die Bühne als Showroom, der Saal voller Kameras und Prominenz über die Kleinkunstbranche hinaus (auch BR-Intendantin Katja Wildermuth etwa sitzt in einer Nische), ein "Warm-up" mit Applaus-Aufzeichnung in drei Stufen (von "Niederbayerisch", wie es Frank nennt, bis Ekstase) - man muss den "Menschen vor den Geräten" vielleicht vorab erklären, dass ein normaler Abend im Lustspielhaus anders aussieht. So wie Kabarett im wahren Bühnenleben anders aussieht als im Fernsehen. Aber die seit 1999 veranstaltete Verleihung des "Bayerischen Kabarettpreises" ist eben eine Erfindung und ein Format des Bayerischen Rundfunks.

Vieles wird da zwangsläufig an die "Sendefähigkeit" angepasst, samt einer, wenn auch subtileren Kontrolle über die Inhalte als früher (apropos: Irgendwann wüsste man schon gerne mal, wer eigentlich in der Jury dieses Preises sitzt). Günstig ist es da, wenn man nicht live sendet, sondern den Abend erst drei Tage später ausstrahlt (am Donnerstag, 27. Oktober, um 21 Uhr im Dritten) und schon wegen der Länge der Live-Veranstaltung sowieso kürzen muss. Immerhin hat man sich heuer von vorneherein freiwillig auf vermintes Gelände begeben. Denn selbst der geschickteste Cutter könnte nicht verhindern, dass die diesjährige Ausgabe des Bayerischen Kabarettpreises ein brandaktuelles feministisches Statement ist.

Schon alleine, weil erstmals drei der vier Ausgezeichneten Preisträgerinnen sind. So wird der maskuline Part mit dem "Senkrechtstarter" Nektarios Vlachopoulos rasch abgehakt, und Laudator Simon Pearce sorgt schon für den richtigen Ton, als er um Anerkennung für den Ausgezeichneten heischt, "auch wenn es nur ein Mann ist". Selbst die könnten ja klug und witzig sein. Was der ehemalige Deutschlehrer Vlachopoulos flugs mit einer seiner hochgradig sprachgewandten Nummern beweist: Die Social-Media-Anfrage "Wie koche ich ein Ei" löst einen fulminanten Shitstorm aus.

Dann aber wird es weiblich wütend. Hauptpreisträgerin und "Powerfrau" Carolin Kebekus, die noch nie mit dem Florett hantiert hat, wuchtet auch hier einen Empowerment-Appell auf die Bühne, eingekleidet unter anderem in die zugleich sehr komische wie recht aggressive "buchstäbliche" Antwort auf die immer noch gestellte Journalistenfrage, wie das denn so wäre, als Frau auf die Bühne zu gehen. Und nahm den Preis mit besonderer Genugtuung entgegen, weil sie als Novizin hier im Lustspielhaus eine ihrer vernichtendsten Kritiken eingefangen hatte. Noch genauer dröselt ihre Laudatorin Jennifer Schwiers die Causa auf: 22,5 Prozent der Preisträger seien bislang weiblich gewesen, Hauptpreisträgerin habe es vorher genau eine gegeben, die ebenfalls anwesende Luise Kinseher.

In dieselbe Kerbe haut Musikpreisträgerin Miss Allie mit ihren von Laudator Bodo Wartke treffend charakterisierten poetisch-derben Songs. Und doppelt gut passt da, dass der Ehrenpreis an Sissi Perlinger geht. Einmal, weil sie gewissermaßen die Mutter aller Kabarettistinnen mit spezifisch weiblichen Themen ist. Zum anderen, weil sie ihre Bühnenkarriere in Deutschland beendet. So bleibt vom Abend, neben Filmeinpielern (mit Urban Priol als griechischer Gott "Humorikos" und einer von Michaela May gesprochenen Märchen-Animation zum Werdegang von Miss Allie), vielleicht am nachhaltigsten in Erinnerung, was Michael Altinger in seiner Laudatio der Perlinger auf den Weg gibt, aber eigentlich auch dem ganzen Saal und dem BR: "Hör nie auf anzufangen, und fang nie an aufzuhören."

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