Süddeutsche Zeitung

Provenienzforschung:Archiv der vergessenen Schicksale

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Stiftung Preußischer Kulturbesitz und Bayerische Staatsgemäldesammlungen starten gemeinsames Projekt zur Erinnerung an jüdische Schicksale.

Von Evelyn Vogel, München

Sie haben Künstlerinnen und Künstler gefördert, den Ruf deutscher Museen geprägt und durch ihre Aktivitäten das kulturelle Leben bereichert: Kunstsammlerinnen und -sammler, Mäzene und sammelnde Bürgerinnen und Bürger jüdischer Herkunft. Viele von ihnen wurden Opfer der Nationalsozialisten, sie verloren nicht nur Hab und Gut, sondern oft auch ihr Leben, und ihre Namen gerieten in Vergessenheit. Was waren das für Menschen? Wie verliefen ihre Schicksale?

Manche Lebensläufe wurden im Zuge von Provenienzforschungsprojekten sichtbar. Bei vielen blieben die Schicksale im Dunkeln. Mit einem multimedialen Archiv wollen die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit ihren Staatlichen Museen zu Berlin sowie die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in einem dreijährigen Projekt an die Lebensgeschichten von NS-verfolgten Kunstsammlern erinnern. Mit der Erzählung individueller Lebensgeschichten will man auch heute noch vorhandenen stereotypen Vorstellungen entgegenwirken.

Dieses Archiv der vergessenen Schicksale basiert auf den Provenienzforschungen beider Einrichtungen. "Wir stoßen bei unseren Forschungen immer wieder auf Namen, die keiner mehr kennt, die aber einst für bedeutende Sammlungen, für Haltungen, für ein Leben mit Kunst standen", so Hermann Parzinger, Präsident der SPK. "Durch das Erzählen ihrer Lebensgeschichten möchten wir viele Namen ins Bewusstsein zurückbringen."

Neben der Mediathek werden spezifische digitale Vermittlungsformate für Jugendliche und junge Erwachsene entwickelt. Denn das Projekt soll vor allem auch der jüngeren Generation vermitteln, welche Bedeutung Provenienzforschung über die unmittelbare Prüfung der Herkunft von Kunstwerken hinaus hat. Bernhard Maaz, Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, erklärt: "Bei Provenienzforschung geht es immer auch um das größere Bild: um die Erforschung von historischen Zusammenhängen, gesellschaftlichen Netzwerken und individuellen Lebensgeschichten, ja Schicksalen."

Die drei Pinakotheken und 20 Zweiggalerien umfassenden Bayerischen Staatsgemäldesammlungen konnten nach eigenen Angaben seit 1998 insgesamt 25 Werke aus 17 Sammlungen restituieren. Die SPK hat seit 1999 mehr als 50 Restitutionsbegehren bearbeitet und dabei mehr als 350 Kunstwerke und rund 2000 Bücher an die Berechtigten zurückgegeben. Darunter waren eine Zeichnung von Vincent van Gogh, Arbeiten von Munch und "Der Watzmann" von Caspar David Friedrich.

Das Erinnerungsprojekt wird von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, mit 690 000 Euro gefördert.

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