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Bauprojekte:Münchens Großbaustellen sollen zur Attraktion werden

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Die SPD hat im Stadtrat einen bemerkenswerten Antrag eingereicht: Die Stadt möge zusammen mit der Bahn ein "Erlebnismanagement" für Baustellen entwickeln.

Kolumne von Kassian Stroh

Kräne sind faszinierend, Planierraupen auch. Und Bagger erst. Das weiß jedes Kind, und es gibt ungelogen welche, die deshalb als Berufswunsch "Bauarbeiter-Zuschauer" angeben. Wenn das keine Lebensperspektive ist! Und zu Wählern der SPD werden sie dann sicher auch einmal.

Denn deren Fraktionschef im Stadtrat, Alexander Reissl, hat nun einen bemerkenswerten Antrag eingereicht: Die Stadt möge zusammen mit der Bahn ein "Erlebnismanagement" für Baustellen entwickeln. Wo immer sich in München Gruben auftun, sollen die Bürger direkt mitbekommen, was sich dort abspielt - durch transparente Bauzäune etwa, Aussichtspunkte oder gar Besichtigungstouren.

Kann man der wachsenden Ablehnung großer Bauprojekte begegnen, indem man ihr "technische Faszination" entgegensetzt, wie Reissl das nennt? Wird ein Wutbürger milder, wenn er Bagger und Tunnelbohrer betrachten darf? Wenn man so im Erwachsenen kindliche Begeisterung weckt? Vielleicht. Aber es geht um mehr. Deshalb sollte der SPD-Antrag ernst genommen werden.

Baustellen bringen viel Unbill mit sich, in einer dicht besiedelten Stadt zumal. Dreck und Lärm für die Anwohner, Umwege und Staus für noch viel mehr Menschen. Kein Wunder, dass bei Großprojekten aller Art deren Sinn viel stärker hinterfragt wird, als es den Bauherren oft lieb ist. Sie müssen darauf mit Transparenz antworten, müssen genau erläutern, was geplant ist, was geschieht und welche Vorteile am Ende stehen. Das tun sie auch zunehmend - aber nicht immer genug.

Kein Wunder, dass Reissl als Paradebeispiel den Bau der zweiten S-Bahn-Stammstrecke anführt. Der wird Bewohner und Besucher der Innenstadt arg beuteln, die ohnehin unter der Vielzahl der Baustellen leiden. Zwar hat die Bahn am Marienhof ein Infozentrum aufgestellt, von wo aus man einen Blick in die Baugrube werfen kann. Aber geöffnet ist es nur an drei Nachmittagen in der Woche.

Die Werbe- und Überzeugungskraft ist eher gering - für das gigantische Projekt, das viele Münchner für ein Milliardengrab halten. Und wie soll das erst werden, wenn halb Haidhausen zur Baustelle wird, wenn der Hauptbahnhof abgerissen und für Jahre einem 40 Meter tiefen Loch weichen wird? Akzeptanz findet das nur durch Information und erst recht durch persönlichen Augenschein. Der Hauptbahnhof als Schaubaustelle - das wäre nicht nur ein Erlebnis im Sinne der SPD, sondern brächte echte Erkenntnis.

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Quelle:
SZ vom 10.04.2018
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