Süddeutsche Zeitung

Internationales Künstlerhaus Villa Concordia:Zeigen, wie das Haus brummt

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Die Villa Concordia in Bamberg kann sich dem Publikum seit Beginn der Pandemie nur selten in Veranstaltungen öffnen - damit sie sichtbar bleibt, hat ihre Direktorin Nora Gomringer die "Sendung mit der Kunst!" erfunden.

Von Antje Weber, Bamberg

Als Benedikt Feiten zum ersten Mal seine neue Wohnung betritt, ist er baff. "Oh, wow", sagt er, während sein Blick durch ein großes Zimmer mit Parkett, Holzfenstern und Stuckdecke schweift, das mit wenigen Möbeln funktional eingerichtet ist. Und als der Münchner Schriftsteller vom Balkon auf den Garten der barocken Bamberger Villa Concordia blickt, romantisch direkt am Ufer der Regnitz gelegen, entfährt ihm noch ein: "Cool."

Eigentlich ist es nicht üblich, dass die Stipendiaten des Internationalen Künstlerhauses von einem Kamerateam begleitet werden, wenn sie ihr Aufenthaltsstipendium des Freistaats in Bamberg antreten. Doch zu Pandemie-Zeiten ist auch dies anders. Veranstaltungen sind auch hier seit vergangenem Jahr erschwert bis zeitweise unmöglich gewesen. Die Direktorin Nora Gomringer hat das Haus daher weitgehend "zugeschlossen", es gibt derzeit nur die eine oder andere Veranstaltung im Garten. Um dennoch sichtbar zu bleiben, kam sie auf die Idee einer "Sendung mit der Kunst!". Feiten und die Künstlerin Aldona Kut waren die ersten, die für den Auftakt im Mai von den Filmemachern Michael und Andreea Wende interviewt wurden; vor Kurzem kam auf dem Youtube-Kanal der Villa bereits die fünfte Folge hinzu.

Die Künstler sind nicht verpflichtet, ihre Wohnungen auf Zeit öffentlich herzuzeigen, Gomringer wirkt diesbezüglich sehr vorsichtig. Und freut sich natürlich doch nach den ersten Sendungen: Man komme hier den Stipendiaten "garantiert näher", als wenn man ihnen nur bei einer Veranstaltung begegne. Auch, weil man von ihnen natürlich mehr als nur staunende Ausrufe hört; Benedikt Feiten etwa erzählt anschließend ausführlich von seinem Leben und Arbeiten und liest in einer langen Sequenz aus seinem Roman "So oder so ist das Leben" - in diesen Sendungen geht es schon wirklich um Kunst.

Das zeigt sich nicht nur in den Interviews derzeitiger und früherer Stipendiaten, von der Künstlerin Lena von Goedeke über den Komponisten Steffen Schleiermacher bis zur Schriftstellerin Lucy Fricke, samt Ausschnitten aus ihrem Schaffen. Es zeigt sich auch in der Gesamt-Konzeption, die Gomringer entwickelt hat. Denn die Sendung präsentiert nicht nur "Einblicke" und "Ausblicke", wie es im verspielten Vorspann heißt, sondern auch: "Socken". Eine Socke fliegt denn auch gleich durchs Bild und verweist auf das anarchische Element der Filme: Der Bamberger Autor Andreas Thamm hat mit Produzent Claus Wagner, an die Muppet Show erinnernd, für jede Folge einen kurzen Film mit Socken-Handpuppen gedreht. Die Socken-Kauze nennen sich Professor Schein und Mitarbeiter Fleiß und versuchen immer wieder vergebens, in die Villa Concordia hineinzukommen.

Es ist nicht das einzige Element in den Filmen, das zeigen soll, "dass wir Humor haben" (Gomringer) - und dies einlöst. Schön surreal ist es auch, wenn eine Plastikschnecke mit Perlenkette an einer Mauer kauert und in derselben Szene ein Radfahrer durch die Wolken fliegt. Oder wenn sich eine Ente mit einem Knall in einen Dinosaurier verwandelt. Insgesamt sollten die Filme, ähnlich wie die "Sendung mit der Maus", sehr unterschiedliche Segmente enthalten, sagt Erfinderin Gomringer. Und so reicht das Spektrum, ganz ihre Absicht, von staatstragend bis albern.

Es sei "ein schönes Wagnis", auf das sie sich da mit ihrem Büro eingelassen habe, sagt die Direktorin und nicht nur nebenbei ja selbst Schriftstellerin. Für sie ist es auch spannend zu erfahren, wie sich eine solche Villa nach außen hin darstellen lässt. "Kann das Haus großzügig aussehen?", fragt sie sich. Ein Haus, dessen Stipendiaten an keine Pflichten gebunden sind; ein Haus, das auch diesem Jahrgang, acht finnischen und sieben deutschen Künstlerinnen und Künstlern, möglichst viele Freiheiten zu gewähren versucht. Reisefreiheit zum Beispiel, auch wenn das derzeit in vielerlei Hinsicht nicht einfach ist: Eine finnische Künstlerin, die ihre Eltern pflegt, soll im September vom Filmteam in Helsinki besucht werden. Es geht darum, in Kontakt zu treten, zu kommunizieren, mit allen Mitteln. "Wenn das Digitale etwas kann, dann das Gefühl, eine Verbindung zu schaffen", sagt Gomringer. Gleichzeitig glaubt sie, dass in digitalen Zeiten Orte wie diese Villa für Künstler "nur dadurch attraktiv werden, dass es eine Menschenbindung gibt, Herzlichkeit".

Nora Gomringer möchte mit den Sendungen noch mehr Botschaften vermitteln: dass sich rund um ein solches Künstlerhaus "ein großer positiver Strudel an Talenten" bildet, eine Art "Mind Map" entsteht. Dass sich "mit ganz viel fränkischem Know-how" eine Menge auf die Beine stellen lässt, das auch Hamburger interessieren könnte. Und, vor allem: "Dieses Haus sieht von außen, wie viele Institutionen, starr aus. Aber diese Häuser brummen!" Deshalb wollen die beiden Muppet-Socken ja auch unbedingt hinein. In der dritten Folge klettern sie durch allerlei Röhren, bis sie fast am Ziel sind. Im letzten Moment fliegen sie durch eine Regenrinne in hohem Bogen wieder raus. Die Socken, so viel ist sicher, werden wiederkommen.

Die Sendung mit der Kunst!, alle Folgen auf dem Youtube-Kanal der Villa Concordia: https://m.youtube.com/channel/UC5ApUjcdp_4dTc8lAHa7P7Q/videos

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