Süddeutsche Zeitung

Forellen-Auswilderung in Hellabrunn:Den Bach runter

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Der Zoo setzt 200 Bachforellen in der Isar aus, um darauf aufmerksam zu machen, wie sehr der Klimawandel auch dieser Art zusetzt.

Von Philipp Crone

Am Ende wird seine Mitarbeiterin dann ein wenig nervös. Zoo-Chef Rasem Baban referiert am Rande des Auer Mühlbachs im Hellabrunner Mühlendorf über die vom Tierpark gezüchteten Bachforellen. 200 Stück hat der Zoo ein Jahr lang in seinem Fischbruthaus aufgezogen, sodass sie jetzt bereit sind für das echte Leben in der Isar. Also fast. Denn noch schwimmen sie am Mittwochmittag in zwei Plastikeimern ganz kleine Kreise. Mit 15 Zentimetern Länge und nur etwa 15 Gramm Gewicht warten die Tiere dieser bedrohten Art auf ihre Freilassung. Und während Baban noch über den nötigen Sauerstoffgehalt spricht, meldet sich die Mitarbeiterin mit dem Hinweis, dass selbiger in den kleinen Eimern demnächst knapp würde. Deshalb werden sie samt gezüchtetem Inhalt nun ausgekippt, aber das Sauerstoff-Problem, das bleibt den Fischen erhalten. Gerade in der Isar.

Die Bachforellen gehören wie die anderen forellenartigen Fische zu denjenigen, die kalte Temperaturen mögen. "Da sind die sechs Grad Wassertemperatur der Isar derzeit gerade richtig", sagt Baban, und sein Gegenüber nickt. Das ist Eduard Rauch, beim Verein der Isarfischer für die Fließgewässer zuständig. Je kälter das Wasser, desto höher der Sauerstoffanteil, sagt Rauch. Und da ist man schon bei der ersten großen Bedrohung für diese Fischart.

"Ich habe in diesem Sommer in der Isar bis zu 23,4 Grad gemessen, es gab 20 Tage mit mehr als 22 Grad", sagt Rauch. Dann sei nur noch etwa halb so viel Sauerstoff für die Fische verfügbar. "Der Klimawandel", sagt Baban noch, ehe er sich zum Wasser beugt und die Forellen in den Bach entlässt.

Viele stehen zunächst eine ganze Weile im seichten Wasser, es sind also nicht nur Pressevertreter, die Rauch und Baban zuhören bei ihren Ausführungen zur Bachforelle und deren natürlichen und unnatürlichen Feinden, sondern auch einige Betroffene selbst, ehe sie sich auf den Weg zur Isar machen. Neben den hohen Wassertemperaturen wären da auch die Münchner. Müll im Wasser, Hunde, Badende, die sich im Sommer die kühlen Gumpen suchen, in die sich die Bachforellen zurückziehen, und Schlauchbootfahrer, die ohnehin die Isar ramponieren und ihre Bewohner schikanieren würden. "Der Freizeitdruck ist an der Isar irre hoch mittlerweile", sagt Baban, dessen Zoo-Bewohner im Sommer zusätzlich von den Grillern eingenebelt werden, für Tiere der pure Stress.

Und noch eine Gefahr lauert auf die jungen Bachforellen, die Krankheit PDS, "das Proliferative Darkening Syndrome", wie Baban erklärt. "Eine Krankheit, über die noch fast nichts bekannt ist", sagt Rauch von den Isarfischern, die aber für ein massives Bachforellensterben verantwortlich ist. Bekannt ist hingegen, wie sehr die 200 Hellabrunner Forellen dem Bestand helfen: kaum. Die Isarfischer setzen jährlich 300 Kilogramm Forellen aus, diese 200 kämen vielleicht gerade auf drei Kilo. "Es ist mehr ein Symbol", sagt Rauch.

Ob es der Bachforelle in der Isar gut geht oder nicht, hat für den Isar-Bader des Jahres 2023 keine merklichen Auswirkungen. Aber Zoo-Chef Baban formuliert es so: "Auch diese Art ist ein wichtiger Bestandteil der Biodiversität. Und selbst wenn wir gerade noch keine Auswirkungen bemerken: Die Rechnung wird kommen."

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