Süddeutsche Zeitung

Ausstellung:Junge Heldinnen

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Paola Gianturco fotografiert Mädchen, die die Welt verändern

Von Martina Scherf

In Malawi saß Paola Gianturco im wohltemperierten Hotelrestaurant, während draußen auf dem Gehsteig minderjährige Mädchen, um satt zu werden, ihre Körper an Männer verkauften. "Noch nie war mir die Kluft zwischen Reich und Arm so bewusst geworden wie beim Abendessen an diesem eleganten Ort", erzählt die Fotografin, die anlässlich ihrer Ausstellung nach München gekommen ist. Für ihr Projekt "Wonder Girls" hat die Amerikanerin weltweit junge Heldinnen besucht. In Malawi fand sie Memory Banda: eine junge Frau, die schon als 13-Jährige gegen die grausamen Traditionen in ihrem Land rebelliert hatte. Gemeinsam mit anderen kämpfte sie gegen Sex mit Minderjährigen und Zwangsehen - mit dem Erfolg, dass Kinderehen in Malawi heute verboten sind.

"Wonder Girls - Mädchen, die die Welt verändern" lautet der Titel der Ausstellung in der Eingangshalle der Technischen Universität München. Die Bilder und Texte stammen aus dem gleichnamigen Buch, für das Paola Gianturco gemeinsam mit ihrer damals elfjährigen Enkelin mehr als 90 Mädchen aus 14 Nationen interviewt und fotografiert hat. Die Aktivistinnen engagieren sich für Umwelt und Bildung, sie kämpfen gegen Gewalt, Missbrauch und Krieg.

Zum Beispiel Nida Begum in Hyderabad, Indien: Auf was bist du stolz?, hatte die Amerikanerin sie beim ersten Treffen gefragt. Da erzählte die 15-Jährige, wie sie als Undercovergirl mit versteckter Kamera einen Sexhandelsring auffliegen ließ. Die Menschenhändler kamen ins Gefängnis. Erfolgreich waren auch die Mädchen aus Bali mit ihrer Aktion "Bye, bye, Plastic Bags": Sie wollten nicht länger zusehen, wie Plastiktüten Straßen, Felder, Flüsse und das Meer verschmutzen und Tiere daran sterben. Um ein Treffen mit dem Gouverneur zu erzwingen, traten sie in Hungerstreik - und der Politiker unterschrieb ein Gesetz zur Eindämmung des Mülls.

Verlegerin Elisabeth Sandmann hat die deutsche Ausgabe des Buches mit einem Gespräch zwischen der Schauspielerin Senta Berger und Sandy Alqas Botros, die mit ihren Eltern aus dem Irak nach Deutschland geflüchtet war und jetzt Botschafterin für das Hilfswerk Plan International ist, eingeleitet. "Diese Mädchen sind Vorbilder für die ganze Welt", sagt Paola Gianturco mit ihrer warmen Stimme. 80 Jahre alt ist sie gerade geworden, doch ihr Enthusiasmus ist ungebrochen. In diesem Jahr war sie schon in zehn Ländern, teilweise begleitet von ihrer zweiten Enkelin. Die Fotografin verzichtet bei ihren Büchern auf Honorar, sie steckt die Einnahmen in die Hilfsprojekte. Sie verfügt über ein weltweites Netzwerk von NGOs, und auch die Mädchen untereinander haben sich dank ihrer Bücher über den ganzen Globus vernetzt. "Ich glaube, dass ich die Zukunft verändern kann, deshalb fange ich jetzt damit an" - das Motto stammt von Aisha, zehn Jahre alt, aus Uganda.

Ausstellung "Wonder Girls" noch bis Fr., 8. Nov., 10-18 Uhr, Technische Universität, Arcisstr. 21; Finissage am Freitag um 13 Uhr mit Paola Gianturco

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Quelle:
SZ vom 07.11.2019
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