Süddeutsche Zeitung

Ausgehen:Im Advent wird der eigene Kühlschrank wichtiger

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Spontan etwas trinken zu gehen, funktioniert in der Vorweihnachtszeit nicht - nirgendwo findet sich ein Platz.

Glosse von Florian Fuchs

Das mag jetzt keine überraschende Erkenntnis sein, aber der Winter ist auch beim Ausgehen nicht der Sommer. Im Sommer drängt es den einigermaßen vitalen Münchner geradezu nach draußen, in der Wohnung staubt's eh nur. Im Winter dagegen fühlt sich die Fußbodenheizung recht behaglich an, Bier gibt es ja auch im Kühlschrank und unter der Bettdecke ist es wesentlich gemütlicher als draußen, auf dem Weg in eine Bar.

Nachts ist es nämlich trotz dieses seltsam milden Winters ziemlich zapfig. Vor allem aber hat der heimische Kühlschrank selten geschlossen. Es gibt also keinen Grund, in der Vorweihnachtszeit das eigene Heim zu verlassen, rafft man sich aber trotzdem auf, ist es geradezu frustrierend: In der Stadt kommt man nirgendwo mehr rein - heute geschlossene Gesellschaft, tut uns leid, Weihnachtsfeier.

Nirgends ist es sicher vor Weihnachtsfeiern

Auf dem Schloss oder im Bowlingcenter, auf dem Berg oder in der festlich geschmückten Kantine, beim Ritter-Dinner oder Kart-Fahren, in der gemieteten Tram oder auf dem Tollwood, sogar einen mobilen Weihnachtsmarkt kann man sich mieten, um ihn in den Hof zu stellen und mit der versammelten Belegschaft Glühwein zu vernichten.

Firmen können Weihnachtsfeiern wirklich auf jede erdenkliche Art organisieren, stattdessen - so kommt es einem vor - reservieren sie einfach in irgendeiner Bar in München und melden eine geschlossene Gesellschaft an. Es ist in den Adventswochen deshalb fast unmöglich, spontan etwas trinken zu gehen, weil man überall wieder abgewiesen wird. Außer bei der Weihnachtsfeier der eigenen Firma natürlich, aber das ist auch kein Trost.

Jetzt stehen überall in München diese vermaledeiten Bretterverschläge herum, die einem die Sicht versperren, weshalb es ohnehin keinen Spaß mehr macht, durch die Stadt zu laufen. Und hat man dann drei Christkindlmärkte durchquert, ist fünf heißen Glühweintassen ausgewichen und hat den Senffleck von der Bratwurst des betrunkenen Budenfans auf der Jacke, und steht endlich vor der Lieblingsbar, muss man wieder umdrehen. Weil die Party zwar läuft, aber nur mit Gästeliste. Der Advent ist definitiv die richtige Jahreszeit, die heimische Bar aufzurüsten.

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Quelle:
SZ vom 17.12.2015
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