Süddeutsche Zeitung

Architektur:Ideenschmiede statt Waffenkammer

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Gläserner Neubau, alte Ziegelfassade und robuste Inneneinrichtung: Das Berliner Büro Staab Architekten hat das ehemalige Zeughaus der bayerischen Armee für 62 Millionen Euro umgebaut

Von Alfred Dürr, München

Markante Repräsentationsbauten aus der Geschichte prägen das Erscheinungsbild Münchens nicht nur in der Altstadt, am Königsplatz oder an der Ludwigstraße. Auch in den Randbereichen des Zentrums finden sich imposante Zeugnisse der Baukunst aus vergangenen Jahrhunderten. Über 140 Meter erstreckt sich das einstige Zeughaus der bayerischen Armee, das damals zur Aufbewahrung und Ausstellung von Waffen sowie als Schule für Sprengstoff-Spezialisten diente, entlang der Lothstraße in Neuhausen.

Der Komplex mit seiner Fassade aus rohen Backsteinen, dem erhöhten Mittelblock, den etwas zurückversetzten Seitenflügeln und den charakteristischen Zinnentürmchen wurde in der Zeit von König Maximilian II. zwischen 1862 und 1866 nach den Plänen von Andreas Friedlein und Matthias Glaeser errichtet. Doch die Proportionen im Innern des Gebäudes gingen durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg und durch spätere Um- und Einbauten für verschiedene staatlichen Institutionen verloren. 2013 wurde diese spezielle Immobilie an die Hochschule München übergeben.

Das Berliner Büro Staab Architekten hatte den Anspruch, mit der Sanierung und der Erweiterung des Bauwerks für die Fakultät für Design der Hochschule München "die kraftvolle Substanz des historischen Baukörpers wieder sichtbar" zu machen. Die ursprüngliche Struktur mit den Hallen, Sälen, dem Gewölbekeller und den anderen Räumen sollte dem Haus wieder seine ursprüngliche Identität zurückgeben, sagt Architekt Jan Holländer. Auf der anderen Seite sollte sich der modernisierte Bau aber auch nicht zu sehr in den Vordergrund spielen und eher eine zurückhaltende Plattform für die Arbeit der Design-Fakultät bieten.

"Bei guter Architektur fühlt man, dass viele verschiedene Qualitätsperspektiven miteinander kooperieren - und auch gerungen haben", schwärmt Dekan Ben Santo. Dann komme etwas Besonderes zustande.

In der Achse des Haupteingangs haben die Architekten im Hof einen gläsernen Neubau vor die denkmalgeschützte Ziegelfassade gesetzt. Dieser moderne Pavillon dient als Foyer und als Forum für Ausstellungen oder andere öffentliche Veranstaltungen. Um eine bessere und vor allem auch barrierefreie Erschließung zu gewährleisten, wurden die Treppenhäuser zwischen dem Mittelbau und den Seitenflügeln durch neue Treppenhallen mit Aufzügen ersetzt. So sollten auch die unterschiedlichen Niveaus der Gebäudeteile verbunden werden.

Mit großem Aufwand wurden etwa die Kellerzonen zu Fotostudios mit Raumhöhen von mehr als sechs Metern ausgebaut. Um den Charakter einer Ideenwerkstatt für die angehenden Designer zu unterstreichen, wurden für den neu errichteten Pavillon und für die Innenausstattung raue und robuste Materialien verwendet, erklärt Barbara Schneider vom Staatlichen Bauamt München 2. Das äußert sich etwa in rustikalen Dielenböden, in rohen Aluminium-Oberflächen an Brüstungen und Türen oder in graubraunen Holzwerkstoff-Platten für die Einbaumöbel. Für die Flure vor den Hörsälen habe man den Brandschutz so ausgelegt, dass diese Zonen auch als Ausstellungs- oder Eventflächen nutzbar sind, sagt Schneider. Rund 62 Millionen Euro hat das Modernisierungsprojekt am Ende gekostet.

Im Dachgeschoss zeugen historische Wappenmalereien von der Geschichte des Hauses. Ursprüngliche Deckenaufbauten wurden erhalten. Allerdings mussten vier historische gußeiserne Säulen entfernt werden. Sie befinden sich jetzt im Bayerischen Armeemuseum in Ingolstadt. Zwei dieser Stützen sind noch im Haus vorhanden. Wer genau hinschaut, erkennt am oberen Ende die Darstellung einer Kanonenkugel, an der die Lunte brennt. Das erinnert daran, dass das ehemalige Zeughaus mit seinen Sprengstoff-Spezialisten Teil des früheren Kasernenviertels zwischen Schwabing und Neuhausen war. Unter städtebaulichen Aspekten hat das Design-Zeughaus eine wichtige Scharnierfunktion zwischen dem Campus der Hochschule und dem geplanten Kreativ-Quartier entlang der Dachauer Straße.

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SZ vom 06.02.2019
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