Süddeutsche Zeitung

Architektur:Deutschlands älteste Stadtjugendherberge darf nicht zu modern werden

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Von Alfred Dürr

Es scheint einfach nichts werden zu wollen mit einer außergewöhnlich anmutenden Modernisierung von Deutschlands ältester Stadtjugendherberge an der Wendl-Dietrich-Straße in Neuhausen. Schon zum zweiten Mal hat die Stadtgestaltungskommission Nein zum spektakulären Fassadenkonzept des Berliner Architektenbüros Graft gesagt. Selbst ein "entschärfter" Entwurf kam bei der Mehrheit der Experten, die den Stadtrat in strittigen Architekturfragen beraten, nicht gut an. Ihr Hauptargument: Das geplante Erscheinungsbild des Neubaus am Winthirplatz füge sich auch nach der Überarbeitung nicht in die Umgebung ein.

Michael Gößl, Vorstand im Landesverband Bayern des Deutschen Jugendherbergwerks, sagte der Süddeutschen Zeitung, es werde trotz des Votums der Kommission keinen völlig veränderten Plan für die Modernisierung geben: "Wir nehmen Anregungen für Modifizierungen an Details gerne auf, aber an der Grundidee wollen wir nicht rütteln."

Vor mehr als drei Jahren hatte das Büro Graft den vom Jugendherbergswerk ausgelobten Architektenwettbewerb gewonnen. Der denkmalgeschützte Altbau an der Wendl-Dietrich-Straße, in der Nähe des Rotkreuzplatzes, soll saniert werden. Um die Ecke, am Winthirplatz, entsteht der Neubau mit dem künftigen Hauptzugang zur Jugendherberge.

Vorgesehen war eine schimmernde Metallverkleidung für diesen Komplex. Aber noch auffälliger war ein fast schon wild anmutender Einschnitt in die Fassade, der sich über zwei Geschosse erstreckte und gewissermaßen als große Geste das Foyer markierte. "Wir wollen Einblicke in die Jugendherberge ermöglichen, aber auch Ausblicke für unsere Gäste auf einen schönen Münchner Platz bieten", sagt Gößl.

Schon bei der ersten Sitzung der Stadtgestaltungskommission fiel dieses Konzept krachend durch. Nur eine einzig Stimme wollte dem Entwurf eine Chance geben. Auch diesmal war das Ergebnis deutlich, aber immerhin: 13 Mitglieder der Kommission bemängelten die Fassadengestaltung, sechs waren dafür.

Der markante Fassadeneinschnitt ist geblieben

Architekt Wolfram Putz vom Büro Graft hatte auch gewisse Änderungen im Vergleich zum ersten Entwurf vorgenommen. So wurde die metallische Front durch eine Putzfassade ersetzt. Außerdem schließt der Neubau mit einer klassischen Dacheindeckung ab. Geblieben ist der markante Fassadeneinschnitt. Zusammen mit einigen weiteren Änderungen liege ein kompromissfähiges Ergebnis vor, sagte Putz. Die gestalterische Sprache sei heute eben anders als noch vor 100 Jahren.

Architekt Jürg Sulzer erneuerte seine Kritik. Die vorgeschlagene Inszenierung sorge für Dissonanz im Ensemble, sagte er. "Nichts gegen eine moderne Haltung,aber die Umsetzung in diesem speziellen Fall ist nicht schlüssig", meinte Generalkonservator Mathias Pfeil: "Ich verstehe den Entwurf einfach nicht." Auch Stadtbaurätin Elisabeth Merk gehörte zu denjenigen, die nicht von der Planung überzeugt waren: "Wenn schon eine große Geste, dann muss auch das Drumherum stimmen." Aber diesen Anspruch löse die Fassade insgesamt nicht ein. Stadtheimatpfleger Bernhard Lambrecht warnte vor Auffälligkeit um jeden Preis: "Man muss behutsam mit diesem Ort umgehen."

Die Fassade soll besser zur Umgebung passen

Sie wolle ausdrücklich für den Vorschlag von Graft werben, sagte dagegen Anna Hanusch (Grüne), die Vorsitzende des Bezirksausschusses Neuhausen-Nymphenburg. Die große Öffnung der Fassade, die einen Blick ins Innere erlaube,ist für sie die spannendste Lösung. Ihr Parteikollege, Stadtrat Herbert Danner, verwies auf einen anderen Aspekt. Man könne von den Architekten keine völlige Umplanung verlangen. Schließlich hätten sie den Wettbewerb gewonnen, bei dem eine Fachjury die beste Gestaltungsidee gekürt habe.

"Durchaus vertretbar" sei das vorgelegte Konzept, so Architekt Peter Scheller, wobei er die Frage stellte, ob das Haus für eine Jugendherberge überhaupt eine große Geste wie die vorgeschlagene Öffnung an der Fassade brauche. "Ich lasse mich von dieser Geste verführen", sagte Architekt Christoph Sattler, obwohl dieser Akzent eigentlich in eine konventionelle Fassade eingebunden sei. Am Ende empfahl die Kommission dem Bauherrn, die Fassade stärker an die Umgebung anzupassen und die Eingangssituation zu modifizieren.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2017
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