Süddeutsche Zeitung

Kunst im Buch:Planet der letzten Affen

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Festhalten, was ist: Der Prachtband "Affentheater" der Münchner Malerin und Schriftstellerin Anita Albus beschreibt Dutzende von Arten dieser Tiere - und ihr Verschwinden.

Von Antje Weber

Dieser Affe hat, so scheint es, ein herrliches Leben. Mehr als die Hälfte des Tages verbringt der Guereza ruhend. Da er vorher unreife Früchte und Blätter in großen Mengen verzehrt hat, was "im Verdauungstrakt peinigende Gase erzeugt", verschafft er sich in seinen Pausen zwar "rülpsend und furzend Erleichterung", doch die Affen im Wald stört so etwas nicht. Neben dem Ruhen und der Nahrungsaufnahme widmen sie sich "der allgemeinen Fellpflege, üben sich im Fliegen durch die Baumkronen, spielen oder lassen sich die Sonne auf den Pelz brennen". So vergeht der Tag, bis sich die Tiere bei Sonnenuntergang flugs in ihre Schlafbäume begeben. Beneidenswert?

Wer den Prachtband "Affentheater" von Anita Albus zur Hand nimmt, lernt mehr als einen Affen kennen. 41 Arten beschreibt die Münchner Malerin und Schriftstellerin in je eigenen Kapiteln mit vielen Fußnoten, den Guereza wie die Blaumaulmeerkatze, den Nasenaffen und den Braunen Sattelrückentamarin, das Weißbüscheläffchen und den Hulock, den Bonobo und den Berggorilla. Etliche historische Abbildungen zeigen die Affen mit - auf heutige Betrachter lustig wirkenden - oft vermenschlichten Gesichtern. Auch zwei eigene feine Bilder hat Anita Albus hinzugefügt, vom Guereza und vom Roten Brüllaffen, und man darf annehmen, dass ihr diese beiden Arten besonders ans Herz gewachsen sind.

Das Werk der Künstlerin und Autorin, die in diesem Herbst 80 Jahre alt geworden ist, ist Liebhabern aufwendiger, detailgetreuer Natur- und Tiermalerei und kluger Essays schon seit langem ein Begriff. Albus hat sich malend und schreibend unter anderem mit Blumen, Vögeln oder Käuzen beschäftigt, besonders erfolgreich war zuletzt ihr Band "Sonnenfalter und Mondmotten" über Schmetterlinge. Wer ihre Texte zu den Abbildungen liest, wird immer wieder auf Namen wie den Universalgelehrten Alexander von Humboldt, den Naturforscher Carl von Linné oder den Ethnologen Claude Lévi-Strauss stoßen. Wie diese hat Albus ein Interesse daran, die Natur zu studieren - und akribisch abzubilden. Dieses Erkenntnisinteresse, das ihre Bücher für die Leser in eine Schule des Sehens und Verstehens verwandelt, mag zwar aus der Zeit gefallen wirken. Das spricht aber, so ist zu befürchten, eher gegen unsere Zeit.

Denn wenn Anita Albus mal verspielt, mal spröde die einzelnen Affenarten beschreibt, dann stehen dabei eingangs zwar stets Beschreibungen des Aussehens und Charakters der Tiere, historische Zuschreibungen oder Anekdoten im Vordergrund. Doch sollte das nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese Feinarbeit letztlich hochpolitisch ist: Anita Albus will festhalten, was vom Verschwinden bedroht ist. In keinem der Texte fehlt am Ende der Hinweis darauf, in welchem Maße die Tiere bedroht sind.

Die ruheliebenden Guerezas zum Beispiel: Bereits im 19. Jahrhundert begann in Afrika ihre Verfolgung im großen Stil, denn die seidigen Felle kamen in Europa "als kostbarer Kostüm- und Mantelbesatz oder als Wandbehang" in Mode, wie Albus schreibt: "Auf dem Höhepunkt der Nachfrage wurden schätzungsweise eine bis zwei Millionen Guerezas abgeschlachtet." Als der Trend zum Pelz endlich endete, waren die Affen fast ausgerottet. Inzwischen gelten sie als "minder bedroht". Dafür werden ihre Habitate weniger, vor allem durch Abholzung der Wälder, in denen sie leben. Nur in geschützten Arealen etwa am Kilimandscharo hängen die Guerezas noch friedlich in Baumriesen herum, "deren mit Moosen und Bartflechten gepolsterten Äste ihnen als Ruhekissen dienen".

Für die Menschen allerdings, für die Leserinnen und Leser, sollte dieser Band kein sanftes Ruhekissen beziehungsweise nur ein exquisiter Coffeetable-Schmuck sein. Sondern ein Antrieb mehr, die Schönheit und Vielfalt um uns herum zu schätzen - und zu schützen.

Anita Albus: Affentheater. S. Fischer, Frankfurt 2022, 224 Seiten, 48 Euro

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