Süddeutsche Zeitung

Allach-Untermenzing:Bürger beschweren sich über mysteriöse Gerüche

Lesezeit: 2 min

Von Anita Naujokat, Allach-Untermenzing

Duftproben gehören in Bezirksausschuss-Sitzungen wohl eher selten bis nie zur Tagesordnung. Doch genau solche kreisten am Dienstagabend an den Tischen der Allach-Untermenzinger Stadtviertelvertreter in der Stadtbibliothek. Einen halben Kasten Glasflaschen mit einer Flüssigkeit, die einen an Federweißen denken ließ, hatten Rainer Kansy und Burkhard Rüdiger von der Paulaner-Brauerei aus dem benachbarten Langwied mitgebracht. Das war aber keineswegs als Gastgeschenk gedacht. Abfüllen lassen hatte Kansy, Leiter der Betriebstechnik, in der Brauerei dieses Mal kein Genussmittel, sondern für den Untermenzinger Geruchs-Gipfel pures Abwasser, wie es aus der hauseigenen Kläranlage kommt - mitgebracht als Geruchsprobe.

Seit Monaten häufen sich im Stadtbezirk Beschwerden von Bürgern über üble Gerüche aus der Kanalisation, aber auch aus der Luft an ganz bestimmten Stellen und zu ganz bestimmten Zeiten. Und was ist naheliegender, als die 2015 in Langwied in Betrieb gegangene Paulaner-Brauerei als Verursacher in Verdacht zu haben? Doch warum tauchen die Geruchsbelästigungen erst seit einiger Zeit auf, und nicht schon vor drei Jahren? Warum auch sonntags, wo laut Kansy die Produktion ruht und kein Abwasser anfällt? Dies sei nachprüfbar, weil der Durchflussmesser mit der Stadtentwässerung gekoppelt sei. Und warum treten die Gerüche trotz eines kontinuierlichen Abwasserflusses nur ab und zu auf und nicht ständig? Auch die städtischen Behörden sind ratlos. Sie stehen trotz mehrerer Untersuchungen nach wie vor vor einem Rätsel über die Ursache.

Der Hauptkanal, an den großteils der Allacher Westen angeschlossen sei, verlaufe von Süden unter der Ernst-Haeckel-Straße, dem Gleich- und Paul-Ehrlich-Weg in Richtung Eversbuschstraße, sagte Bernhard Böhm, Leiter der Betriebsabteilung der Stadtentwässerung. Seit sich Paulaner angesiedelt habe, sei die Brauerei nie ein Thema gewesen. In diesem Frühjahr seien dann abrupt gehäufte Beschwerden aufgetaucht. Mitarbeiter hätten in besagtem Kanal zwar starken Biofilmbewuchs, umgangssprachlich Hefeschleim, an den Kanalwänden entdeckt. Doch ein solcher sei in der Nähe von Brauereien nicht ungewöhnlich, arbeiteten diese doch mit Hefe. Der Bewuchs sehe zwar nicht schön aus, "aber er stinkt nicht", sagte Böhm. Der Kanal sei durchgespült worden, in Folge habe es dennoch wieder Beschwerden gegeben.

"Manchmal haben wir etwas gefunden, manchmal nicht." Eine Systematik habe man nicht entdeckt. Ein Anwohner habe Buch geführt, aber auch die Aufzeichnungen hätten zu keiner Klärung beitragen können, sagte Böhm. "Im Moment stochern wir ein wenig im Trüben." Auch die Kollegen der Industrieüberwachung hätten sich alles angesehen, inklusive der Kläranlage, und festgestellt, dass Paulaner alles nach den Regeln der Technik betreibe. Er wohne selbst in Untermenzing, sei wiederholt hingeradelt. "Aber ich konnte weder etwas bestätigen noch in Abrede stellen." Auch das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) ist nicht weitergekommen. "Wir stochern ebenfalls im Nebel, sagte Christian Heindl, Leiter der Immissionsschutzbehörde. Beschwerden kamen genau aus dem Kanalgebiet.

Eine Anwohnerin der Wilhelm-Zwölfer-Straße, außerhalb davon, klagt seit August ebenfalls über einen unerträglichen Gestank, der in Intervallen komme und noch in Dachau wahrnehmbar sei. Sie ist allerdings davon überzeugt, dass dieser nicht aus dem Gully kommt, sondern aus der Luft. Es sei kein breitflächiger Schwall, eher eine vorbeiziehende Linie. Nach zwei Minuten sei er vorbei, bis er nach einer halben Stunde, gerade abends und nachts, wieder einsetze.

Ob beide Phänomene zusammenhängen, ist ebenfalls unklar. Dass es, wie Friedrich Schneller (SPD) kritisierte, erst jüngst am Samstag nach Maische gerochen habe, erklärte Brauerei-Chef Kansy damit, dass zu Sudbeginn die Kessel luftfrei sein müssten und dafür kurzzeitig der Schlot geöffnet werde. In der Regel entwichen zehn Kubikmeter Luft alle 90 Minuten. Für Falk Lamkewitz (Grüne) keineswegs ein Indiz auf die Ursache, da Luft ja nicht an einer Stelle verharre.

Bei der Suche nach der Ursache werden die Bürger jetzt gebeten, ihre Beobachtungen per E-Mail an immissionsschutz-nord.rgu@muenchen.de mitzuteilen und genau Art des Geruchs, Ort, Zeit, Adresse und Stockwerk anzugeben. Eine Hotline wird noch eingerichtet. Die Infos sollen einige Monate gesammelt und ausgewertet werden. Der Geruchsbeobachtung der älteren Dame will Brauerei-Chef Kansy in deren Wohnzimmer selbst nachgehen.

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Quelle:
SZ vom 15.11.2018
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