Süddeutsche Zeitung

AfD-Veranstaltungen:Klare Linie neben dem Platz

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Nach dem Streit um eine Veranstaltung der Jungen Alternative auf einem städtischen Sportgelände hat die Politik neue Regeln angekündigt - doch das ist offenbar nicht so einfach

Von Martin Bernstein

Es klang entschlossen: Als die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall beobachtete AfD-Jugend "Junge Alternative" (JA) Anfang Mai per Verwaltungsgerichtsbeschluss eine Veranstaltung mit Björn Höcke in der Gaststätte einer städtischen Sportanlage erzwang, reagierten Oberbürgermeister Dieter Reiter und Sportreferentin Beatrix Zurek sofort. Man werde schnell dafür sorgen, dass sich Ähnliches nicht wiederhole. Doch so einfach ist es offenbar nicht. Das liegt einerseits an den hohen juristischen Hürden - andererseits aber auch daran, dass die anderen Parteien sich selbst in ihren Auftrittsmöglichkeiten beschränken müssten.

Die JA hatte vom Wirt des Lokals "Antica Tropea" einen Saal für den 5. Mai gemietet. Die Gaststätte gehört zur Sportanlage an der Lerchenauer Straße 270. Sie wird von der Stadt betrieben und ist die Heimat der Spielvereinigung Feldmoching. Mehrere Jugendspiele standen an jenem Sonntag auf dem Spielplan. Ein weiterer Raum der Gaststätte war an eine Kommuniongesellschaft vermietet. JA-Ordner wachten an der Einfahrt zum Parkplatz, Polizisten bauten Absperrgitter auf, Gegendemonstranten, die sich auf der anderen Seite der Lerchenauer Straße postiert hatten, und Höcke-Fans lieferten sich Wortgefechte. Später gerieten ein Jugendtrainer und ein AfD-Besucher mit Kippa verbal aneinander. Die Polizei nahm wechselseitige Beschimpfungen zu Protokoll. Zwischen all dem die Nachwuchskicker, darunter viele Kinder. Miriam Heigl von der städtischen Fachstelle für Demokratie versuchte, den Buben, die nur zum Fußballspielen und oft ohne erwachsene Begleiter gekommen waren, Ängste zu nehmen und zu erklären, was da gerade am Spielfeldrand vor sich ging.

Eine untragbare Situation, befand Sportreferentin und Stadtschulrätin Zurek, die selbst auf der Sportanlage war. Man müsse - vor allem im Interesse der Kinder - schnell zu einer Neuregelung kommen, die derartige Situationen künftig ausschließe. Im Vorfeld hatte die Stadt noch versucht, solche Szenen zu verhindern, indem sie Höcke und vier weiteren für diesen Tag angekündigten Rednern Hausverbot erteilt hatte. Die Veranstalter waren dagegen vors Verwaltungsgericht gezogen - und hatten Erfolg. Am Samstagabend teilte das Gericht der Stadt mit, dass vier der Hausverbote gegen Redner beim "Politischen Frühschoppen" der JA nicht vollzogen werden dürften. Ein fünfter Redner hatte gegen das von der Stadt München erteilte Hausverbot kein Eilverfahren angestrengt.

Selbstverständlich respektiere die Stadt die Gerichtsentscheidung, sagte Oberbürgermeister Reiter (SPD) damals in einer ersten Reaktion. Seitens der Stadt sei man allerdings auch weiterhin der Auffassung, dass Veranstaltungen, "die Rassismus und Antisemitismus schüren, die Grundwerte unserer Verfassung angreifen oder den Nationalsozialismus relativieren wollen, in städtischen Räumen keinen Platz haben sollten". Für städtische Sportanlagen, die in besonderer Weise für die Vielfalt der Stadtgesellschaft sowie für die Werte der Toleranz und des Fairplay stünden, gelte das erst recht. "Für die Zukunft werden wir daher die städtischen Regelungen dahingehend überarbeiten, dass auf städtischen Sportanlagen solche Veranstaltungen nicht mehr zugelassen sind."

Wie eine solche Regelung aussehen könnte, darüber soll der Ältestenrat des Stadtrats am 24. Juni beraten. Klar dürfte sein: Eine "Lex AfD" wird es wohl nicht geben. Mit einer solchen ist die Stadt schon einmal vor Gericht gescheitert. Der Ältestenrat hatte nämlich festgelegt, dass Kultur- und Bürgerhäuser nur noch an im Stadtrat vertretenen Parteien vermietet werden sollen. Das verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot, entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im vergangenen Juli. Jetzt gilt dort wieder das 2005 beschlossene Verbot für alle Parteien - aber nur in den jeweils letzten drei Monaten vor Wahlen. Begründet wurde das damals mit der Neutralitätspflicht der Stadt in Wahlkampfzeiten. Im Februar ergänzte der Ältestenrat, dass in dieser Zeit auch keine internen, also nicht öffentlichen Parteiveranstaltungen stattfinden dürfen. Wenn dagegen kein Urnengang ansteht, dürfen alle Parteien dort Räume mieten. Also auch die AfD. Eine Sonderregelung gilt für das Rathaus. Dort dürfen der Alte Rathaussaal, der Große und Kleine Sitzungssaal, die Grütznerstube oder die Ratstrinkstube nur noch von den Fraktionen, Gruppierungen und Ausschussgemeinschaften des Stadtrats angemietet werden. Und zwar für Stadtratszwecke. Im Stadtrat ist die AfD derzeit jedoch nicht vertreten, das Rathaus ist ihr also versperrt.

Im Referat für Bildung und Sport hat man sich schon früher Gedanken darüber gemacht, wie viel Parteipolitik Kindern zugemutet werden soll. Denn bis vor gut zwei Jahren galt auch in Schulen und deren Sporthallen die Drei-Monate-Regelung. Schule, erklärte Zurek im Januar 2017 in einer Vorlage für den Stadtrat, sei aber ein besonders sensibler Raum. Insbesondere wenn sich Schülerinnen und Schüler ganz bewusst gegen jede Form von Diskriminierung und Rassismus in ihrer Schule einsetzten, erscheine es nicht hinnehmbar, Schulräume für Veranstaltungen zu überlassen, bei denen nicht ausgeschlossen werden könne, dass Menschen aufgrund der Religion, der sozialen Herkunft, des Geschlechts, der politischen Weltanschauung oder der sexuellen Orientierung herabgewürdigt werden. Zurek sah damals die Gefahr, dass der Schulfrieden gestört werden könnte. Für verfassungsfeindliche Positionen sollten Schul- und Sportanlagen "keine Plattform bieten". Daraufhin beschloss der Stadtrat, dass Schulen und deren Sporthallen für politische Parteien künftig tabu sind. Ist diese Regelung eine Blaupause für städtische Sportanlagen? Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags kommt jedenfalls für kommunale öffentliche Einrichtungen zu dem Ergebnis: "Zugangs- und Nutzungseinschränkungen können sich ... aus dem Widmungszweck selbst ergeben. So kann die Gemeinde etwa die Nutzung zu politischen Zwecken gänzlich ausschließen." Verfassungsfeindliches, Strafbares und Sittenwidriges ist in städtischen Räumen übrigens grundsätzlich ausgeschlossen, ebenso jede Form von Diskriminierung. Das unterschreibt jeder Mieter.

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SZ vom 22.05.2019
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