Süddeutsche Zeitung

Waffenexporte:Schluss mit geheim

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Deutschland liefert zu viele Rüstungsgüter, und dies zudem ohne klare Kriterien. Im Fall der Ukraine zeigt sich: Man kann anderen Ländern auch anders zur Seite stehen als mit Haubitzen.

Kommentar von Georg Mascolo

Die Ampel-Regierung will ein Gesetz zum Export von Waffen verabschieden, es soll restriktiver werden, mehr Transparenz bewirken und eine Verständigung mit den EU-Partnern suchen. Dieses Versprechen findet sich auf Seite 146 des Koalitionsvertrages, und Wirtschaftsminister Robert Habeck hat ankündigen lassen, dass es damit auch schnell gehen wird. Eine Beratung der Eckpunkte könnte bereits im Sommer im Kabinett stattfinden, ein erster Entwurf des Gesetzes dann noch in diesem Jahr vorliegen.

Man kann nur hoffen, dass dieses Versprechen nicht wieder so endet wie bisher die allermeisten Ankündigungen in diesem Bereich. Transparent sind die Entscheidungen nie, die im Bundessicherheitsrat getroffen werden, schon deshalb nicht, weil der geheim tagt. Und obwohl doch bereits seit Jahrzehnten angeblich strenge und ständig nachgeschärfte Regeln gelten, gehört Deutschland zu jenem kleinen Staatenklub, der für weit mehr als 75 Prozent aller weltweiten Exporte verantwortlich zeichnet. 2021 war wieder einmal ein Rekordjahr, beinahe wurde die Zehn-Milliarden-Euro-Marke geknackt. Beteiligt an diesem besonderen deutschen Wirtschaftswunder waren übrigens in der Zeit der rot-grünen Koalition, von 1998 bis 2005, auch die Grünen - um dann in der Opposition solche Geschäfte, etwa mit Saudi-Arabien, scharf zu kritisieren und sogar vor dem Verfassungsgericht auf eine stärkere Parlamentsbeteiligung beim Waffenexport zu klagen. Aber man kann ja dazulernen.

Mitunter schaut jede Bundesregierung weg

Die Zahlen zu hoch, die Begründungen zu schwach: Ja, die Zeit ist reif für eine grundsätzliche und ehrliche Debatte darüber, welches Schießgerät aus diesem Land in wessen Hände geraten darf. Oder in seltenen Fällen vielleicht auch muss. Gerade erinnert der Streit um Waffen für die Ukraine daran, dass hier noch nie etwas zusammenpasste. Die ersten deutschen Rüstungsexporte gingen nach dem Zweiten Weltkrieg an Israel, um das Existenzrecht des Staates zu sichern. Bis heute schaut jede Bundesregierung sogar weg, wenn es um hochmoderne deutsche U-Boote geht, die Israels nukleare Abschreckung sichern. Welche besondere Pflicht aber hat Deutschland gegenüber dem Existenzrecht der Ukraine, die von Russland bereits überfallen wurde - und der nun eine weitere Invasion droht?

Nicht jeder Ausnahmefall wird sich per Gesetz abschließend definieren oder gar lösen lassen, auch der Koalitionsvertrag weist auf diesen Umstand hin. Aber jede Diskussion über eine Ausnahme wäre schon einmal einfacher, wenn es denn eine Ausnahme wäre. Ursprünglich sollte der Export außerhalb der Nato kaum eine Rolle spielen, in Spannungsgebiete sollte überhaupt nicht geliefert werden. Aber den Boom der vergangenen Jahre verdankt die deutsche Industrie vor allem ihren treuen Kunden in der Dauerkrisenregion Nah- und Mittelost. Spätestens nach der Beteiligung vieler dortiger Staaten am Jemen-Krieg hätte endgültig Schluss mit den Lieferungen dorthin sein müssen. Jedes Gesetz, dass diesen Missstand nicht endlich beseitigt, wäre keinerlei Fortschritt. Man würde übrigens gern von Olaf Scholz hören, wie ein Export von drei Fregatten und 16 Systemen für die Luftverteidigung nach Ägypten zu den jetzigen Ampel-Plänen passt. Dieser nämlich wurde kurz vor dem Regierungswechsel genehmigt, in einer Sitzung unter Teilnahme von Vizekanzler Scholz. Schließlich muss das neue - und versprochen restriktive - Rüstungsgesetz die Unterschrift des Kanzlers Scholz tragen.

Der CDU-Politiker Röttgen hat ein plausibles Argument

Im Zuge der Reform sollte Habeck die vorrangige Zuständigkeit für diese Exporte an das Auswärtige Amt abtreten. Der Istzustand ist ein Webfehler. Waffen sind keine Frage der Wirtschaftsförderung oder der Ausfuhrkontrolle - sondern der Außen- und Sicherheitspolitik. Enden muss auch die Intransparenz im Bundessicherheitsrat, der ganze Bundestag muss in schwierigen Fragen debattieren können, so wie er es schließlich auch bei der Entsendung deutscher Soldaten tut. Die vereinbarte Verschwiegenheit dient oft nur dazu, nicht erklären zu müssen, was man selbst nicht erklären kann. Und noch öfter nicht erklären will.

Dass die Debatte über Waffen für die Ukraine öffentlich ausgetragen wird, ist angemessen. So war es bereits 2014, als die Kurden erstmals Material erhielten, um sich gegen den IS zu wehren. Diese "Nothilfe für die Rettung von Menschenleben", wie es die Politik damals begründete, erwies sich als richtig. Im Fall der Ukraine überwiegen dagegen weiterhin die Gründe für eine Ablehnung. Waffen bekommt das bedrohte Land aus anderen EU- und Nato-Staaten. Und den wesentlichen Grund für das deutsche Nein nannte gerade der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen: Lieferungen seien zwar legitim, aber in dieser Lage nicht klug. Denn wichtiger sei es, die besonderen Gesprächskanäle nach Moskau offenzuhalten, damit aus der Krise kein Krieg wird.

Ja, hierin liegt die besondere deutsche Verantwortung. Allerdings ergänzt durch diese an Russland in größter Dringlichkeit zu übermittelnde Botschaft: Kein noch so gutes Geschäft, keine Pipeline wird es überstehen, falls in Europa wieder die Panzer rollen. Dieses gewaltige ökonomische Abschreckungspotenzial darf nicht ungenutzt bleiben in Zeiten, die über Krieg oder Frieden entscheiden.

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