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Umweltministerin Svenja Schulze:Hartnäckig sein und Glück haben

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Svenja Schulze ist als Umweltministerin so erfolgreich wie wenige zuvor. Wird sie deshalb im Amt bleiben? Selbstverständlich nicht.

Von Michael Bauchmüller

Svenja Schulze hat die Sportschuhe angezogen, ihre Siebensachen trägt sie in einem kleinen, roten Lederrucksack. Es ist die richtige Ausrüstung für diesen buchstäblichen Marathon, den sie in den nächsten Stunden wird zurücklegen müssen, zu bilateralen Treffen mit anderen Ministern, zu Teambesprechungen, ins Plenum des Klimagipfels. Mutmaßlich ist es der letzte, dem Schulze als Umweltministerin beiwohnt. "Kann ich mir eigentlich noch gar nicht vorstellen", sagt Schulze. "Und ja: Es tut ein bisschen weh."

Die Sozialdemokratin Schulze, 53, ist ein Phänomen der verflossenen Bundesregierung. Eine große Unbekannte, als sie nach Berlin kam, mit der Umweltpolitik anfangs so vertraut wie ein Kohlekraftwerk mit dem Klimaschutz. Und jetzt, am Ende ihrer Amtszeit, so erfolgreich wie nur wenige vor ihr in diesem Ressort. Wie kann das gehen?

Schulze selbst verweist an dieser Stelle gern auf ihre Beharrlichkeit. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass das Schicksal es mit ihr und dem Klimaschutz in der vergangenen Legislaturperiode wirklich gut gemeint hat. Das fängt damit an, dass die große Koalition eine Kommission zum Ausstieg aus der Kohle einsetzte. Mit einem Mal standen damit auch jene im Rampenlicht, die gegen die Kohle kämpften; allen voran die im Hambacher Forst. Parallel inspirierte eine junge Schwedin Millionen Schülerinnen und Schüler. So entstand jene Bewegung, die wie eine große Welle auch Schulzes größtes Projekt ganz nach vorne spülte: das Klimaschutzgesetz.

Sie hat eine gewisse Mittelstürmerqualität - und einen Flankengeber

In Glasgow durfte Schulze damit in diesen Tagen glänzen. Der Abschied von der Kohle, die neuen deutschen Klimaziele - international findet das durchaus Beachtung. Zur Wahrheit allerdings gehört auch hier, dass abermals das Schicksal im Spiel war. Denn das erste deutsche Klimapaket, 2019, geriet in das Mahlwerk eines Koalitionsausschusses, auch zum Bedauern Schulzes. Dass es dabei nicht blieb, dafür sorgte das Bundesverfassungsgericht: Es brauche ein besseres Gesetz, verlangten die Karlsruher Richter, eins mit mehr Rücksicht auf künftige Generationen. Eine Steilvorlage für Schulze.

Es gibt auch im Fußball Spielerinnen und Spieler, die scheinbar zufällig immer da stehen, wo sie nur noch den Fuß hinhalten müssen. Das hat natürlich mit Talent zu tun, und dieses Talent hat Schulze auch - verbunden mit einem Mitspieler, der aus allen Positionen die richtige Flanke geben kann: ihr Staatssekretär Jochen Flasbarth. Nach dem Karlsruher Urteil etwa entstand in nur 13 Tagen ein neues Klimagesetz. Ihren Kabinettskollegen und Parteifreund Olaf Scholz hatte sie zu dem Zeitpunkt schon für den Klimaschutz gewinnen können. Das war, wie überhaupt in der SPD, ein hartes Stück Arbeit.

Altmaier, Klöckner, Scheuer - die Kollegen im Kabinett machten es ihr nicht leicht

Mit manchen anderen Kollegen war das noch mühseliger. Peter Altmaier, der Wirtschaftsminister von der CDU, schrieb zwar gleich ein 20-Punkte-Programm für den Klimaschutz, blieb aber die zentralen Punkte schuldig. Agrarministerin Julia Klöckner erklärte zwar die Biene für systemrelevant, hielt aber die Bauern für noch systemrelevanter. Und Andreas Scheuer, der Verkehrsminister von der CSU, posierte zwar mit Elektrorollern und Ladesteckern, zapfte aber politisch stets Diesel und Benzin. Dass eine Umweltministerin mit solchen Kollegen neben etwas Glück auch ziemlich viel Beharrlichkeit braucht, ist glatt vorstellbar.

Doch Umweltministerin wird sie kaum bleiben können, nicht in einer Koalition mit den Grünen. "Richtig schmerzhaft" sei das, sagt sie. "Eigentlich will ich gar nicht weg." Aber ihre Chancen auf ein neues Ministeramt stehen nicht schlecht. In Nordrhein-Westfalen war sie schon Forschungsministerin, auch Generalsekretärin der NRW-SPD. So oder so, eine Leistung wird ihr so schnell keiner nehmen: Sie ist die erste Umweltministerin, die ein nationales Klimaziel tatsächlich erreicht hat. Was dies betrifft, gehört zur Wahrheit: Die Pandemie half ihr dabei.

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