Süddeutsche Zeitung

Astronomie:Bitte in den Abgrund schauen

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Nein, das erste Bild des riesigen Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße hat keinerlei praktische Relevanz im Alltag. Warum man sich trotzdem damit beschäftigen sollte.

Kommentar von Marlene Weiß

Nein, man muss sich natürlich nicht für die erste Aufnahme des supermassiven Schwarzen Lochs im Zentrum der Milchstraße interessieren. Das Bild, das Forscherinnen und Forscher am Donnerstag weltweit präsentiert haben, hat keinerlei praktische Relevanz, ein kosmischer Abgrund in 27 000 Lichtjahren Entfernung ist nicht gerade ein naheliegendes Reiseziel. Es gibt, das sei zugegeben, wirklich wichtigere Dinge hier auf Erden.

Man kann das Bild also getrost ignorieren. Aber man verpasst etwas, wenn man es so hält. Es ist gar nicht so lange her, da wussten die Menschen in Europa nicht einmal, was hinter dem Atlantik liegt. Dass die Erde rund ist. Dass sie sich an einem Tag um sich selbst und in einem Jahr um die Sonne dreht.

Etwas Orientierung im Kosmos kann bereichernd sein

Das mögen heute selbstverständliche Tatsachen sein, aber schon dass das ganze Sonnensystem mit allem Drum und Dran um das Zentrum der Milchstraße rotiert, ist vielen nicht bewusst, dabei ist es nur der nächste Schritt in dieser Erkenntniskette. Auch nicht unbedingt, dass in diesem Zentrum schon seit vielen Jahren ein supermassives Schwarzes Loch vermutet wird; das neue Bild ist ein weiterer Beleg dafür, dass sich dort wirklich so ein Objekt befindet.

Es mag im Alltag nicht entscheidend sein, weil die Erde ihren Weg ganz von alleine findet, man kann sich darauf verlassen, dass die Gravitation sie auf Kurs hält. Aber auch in einer Stadt fühlt es sich gut an, wenn man seinen Standort ohne Navi und GPS halbwegs bestimmen kann. Mindestens ebenso bereichernd kann etwas Orientierung über den Wissensstand zur Ordnung der Dinge im Kosmos sein, und dazu gehört auch der Abgrund der Gravitation im Zentrum der Milchstraße.

Es ist ziemlich viel verlangt, sich so ein kolossales Schwarzes Loch vorzustellen, das vier Millionen Sonnenmassen auf so engem Raum konzentriert, dass nicht einmal das Licht seiner Schwerkraft entkommen kann. Das muss man aber auch nicht mehr - dafür gibt es jetzt das Bild. Es lohnt ganz sicher einen langen Blick.

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