Süddeutsche Zeitung

Militäreinsätze:Macht und Einfluss

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Frankreich beendet seinen Anti-Terror-Einsatz in Mali - und die Menschen in Bamako jubeln. Hat die Mission messbare Ergebnisse gezeigt? Zeit für eine nüchterne Bilanz.

Kommentar von Nadia Pantel

Dieser Donnerstag ist ein bitterer Moment für Frankreich. Das Land muss sich nicht nur eingestehen, dass der Anti-Terror-Einsatz in Mali wenig messbare Ergebnisse gezeigt hat. Schlimmer noch, Paris zieht seine Soldaten ab und die Menschen auf der Straße in Mali jubeln. Die Europäer wurden offenbar nicht als die Friedenskräfte wahrgenommen, als die sie sich selbst gern gesehen hätten.

Diese Niederlage kann nun auch Anlass sein, zu überprüfen, ob es nicht auch jenseits von Mali ein Auseinanderklaffen der Eigen- und Fremdwahrnehmung gibt. Schließlich ging Frankreich nicht allein in diesen Einsatz, sondern an der Seite europäischer Partner, darunter Deutschland. Der von Paris und Berlin sehr verschieden ausgeführte Einsatz zeigt wieder einmal deutlich, wie unterschiedlich Frankreich und Deutschland, aller Freundschaftsarbeit zum Trotz, auf die Welt und sich selbst blicken. 48 französische Soldaten sind seit 2013 in Mali umgekommen. In Paris gingen die Menschen auf die Straße, um für die Gefallenen Spalier zu stehen. Zu einer Debatte über den Sinn des Einsatzes führte das nicht.

Frankreich hat eine weniger vermurkste Haltung als Deutschland

Zum einen, weil solche Debatten ohnehin begrenzten Einfluss haben: Über Militäreinsätze entscheidet in Frankreich der Präsident allein, die Zustimmung des Parlaments braucht er nicht. Zum anderen aber auch, weil Frankreich eine weniger vermurkste Haltung zu Macht und Einfluss hat als Deutschland. Beziehungsweise: eine anders vermurkste Haltung. Frankreich und Deutschland produzieren und exportieren beide Waffen. Frankreich und Deutschland haben beide geopolitische Interessen, die über ihre Landesgrenzen hinausgehen. Nur gehört es in Frankreich anders als in Deutschland zum Konsens, das auch offen zuzugeben. Es ist für Paris oft schwer, sich in das deutsche Schlingern einzufühlen, das sowohl lautstarken Pazifismus einschließt wie auch die Bereitschaft, gemeinsam Kampfflugzeuge zu entwickeln.

Aus deutscher Perspektive wiederum ist es Frankreichs koloniales Erbe, das zu einer manchmal widersprüchlichen Afrikapolitik führt. Die Grundfrage hinter dem Mali-Einsatz lautet: Wie ermöglichen wir Frieden, was ist unsere Haltung zu Krieg? Für Deutschland wie Frankreich geht es dabei immer auch um das Verhältnis zur eigenen Vergangenheit. Deutschlands Position ist durch die historische Schuld der Nazizeit geprägt. Auch wenn diese Prägung im moralischen Reden spürbarer ist als im entsprechenden Handeln. In Frankreich berühren Fragen der Außenpolitik fast immer auch das Verhältnis zu den früheren Kolonien.

Die Rechte beschäftigt vor allem die Frage: Wurde Paris gedemütigt?

Theoretisch spricht Frankreich von einer Beziehung auf Augenhöhe mit Ländern wie Mali, das erst 1960 seine Unabhängigkeit von Französisch-Westafrika erlangte. In der Praxis mischt sich jedoch immer wieder die Gewohnheit, von Paris aus den alten Einfluss wahren zu wollen. Bezeichnend dafür ist, wie über den Mali-Einsatz nun im Wahlkampf diskutiert wird. Gerade bei Rechten und Konservativen geht es wenig um die Frage, ob der Anti-Terror-Kampf effizient war, sondern darum, ob Frankreich gedemütigt worden sei. Als sei es ohnehin zu keinem Zeitpunkt um die Menschen in Mali gegangen, sondern nur um das Bestehen auf Frankreichs Größe in der Welt. Nicht umsonst traute sich Emmanuel Macron nur als Wahlkämpfer, den Kolonialismus ein Verbrechen zu nennen. Seit er Präsident ist, spricht er deutlich vorsichtiger. In Mali wurde spürbar, wie wenig aufgearbeitet diese Fragen sind.

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