Süddeutsche Zeitung

Aktuelles Lexikon:Fastenzeit

Der Übergang von Rosenmontag bis Aschermittwoch ist eigentlich zum Verrücktwerden. Für Katholiken allerdings ergibt das alles Sinn.

Von Martin Zips

Den "Kampf zwischen Karneval und Fasten" dürfte niemand besser auf den Punkt gebracht haben als Pieter Bruegel der Ältere im Jahr 1559: Getümmel am Stadtplatz, links die Narren mit Herrn Fastnacht und Fleischspieß, rechts die Frommen mit Frau Fasten vor der Kathedrale. Dieser Übergang - gerade noch Karneval, dann Aschermittwoch - ist zum Verrücktwerden. Und doch ist alles ganz einfach: Auf dem katholischen Rummelplatz folgt eben Verzicht auf Feiern und Feiern auf Verzicht. Wer sich also in Erinnerung an die 40 Tage, die Jesus in der Wüste fastete (Mt 4,2), nach Karneval mal kurz zurückhält, wer Buße tut und betet, dessen Halleluja wird an Ostern besonders laut sein. Aber interessant, wie schwer dem Menschen der Verzicht fällt: Mal muss noch schnell Fastenbier getrunken werden - im Rausch übersteht man die Passionszeit, wie sie bei den reformatorischen Kirchen heißt, offenbar leichter. Dann wird Fleisch in Teigtaschen versteckt (dass man vor dem Herrgott irgendwas verstecken könnte, glauben nur Schwaben und Italiener). Eine Umfrage hat nun ergeben, dass den Deutschen der Verzicht auf Fleisch, Alkohol und Süßes leichter fällt als auf Auto, PC und Handy. Würde Bruegel heute also noch mal den "Kampf zwischen Karneval und Fasten" malen, seine Narren würden vielleicht Handys tragen.

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